„Adiós Buenos Aires“: Tango zum Fünf-Uhr-Tee
„Adiós Buenos Aires“ ist das melancholische Porträt einer Stadt, die sogar am Abgrund noch tänzelt.
Innsbruck – Knapp vor dem Abspann wird es doch noch richtig kitschig: verliebter Blick, jedes Dackels würdig, Finger berühren Wangen. Es wird geschmust. Glücklicherweise nur kurz, sonst hätte Regisseur German Kral das Kunststück vollbracht, seinen schönen, melancholisch-musikalischen Film „Adiós Buenos Aires“ ohne Not im Seichtwasser auf Grund laufen zu lassen. Ist nicht passiert, daher: ¡Muchas gracias!
Kral, ein ausgewanderter Argentinier in München, wurde bisher als Dokufilmer mit Bezug zu seiner Passion, dem Tango, im Kino auffällig. Sein erster Spielfilm „Adiós Buenos Aires“ lässt vielleicht nicht allzu viel erwarten. Auswandererromantik?
Rasch wird man seine Meinung revidieren. Da ist man schon mittendrin im Chaos der argentinischen Hauptstadt, diesem wuchernden Moloch mit all seiner Armut, wirtschaftlich am Abgrund tänzelnd, korrupt und kaputt.
Adiós Buenos Aires
Ab dieser Woche im Kino.
Die BewohnerInnen wehren sich und versuchen Haltung zu bewahren. Auf den Straßen wird jeder Protest blutig niedergeschlagen; doch der Tango und mit ihm letzte Reste von Lebensfreude behaupten sich selbst noch im schäbigsten Lokal.
Ist aus Geldnot kein brauchbarer Sänger aufzutreiben, wird im Seniorenheim Nachschau gehalten. Dort vegetiert Señor Ricardo (großartig würdevoll: Mario Alarcón), eine Gesangsgröße von einst, vor sich hin. Ihm nähern sich, unter falschen Vorwänden, Bandoneon-Spieler Julio (Diego Cremonesi) und seine Kumpels von der Amateurband Vecinos de Pompeya („Nachbarn von Pompeya“, Stadtteil von Buenos Aires). Ricardo blickt auf und sagt: „Ich bin alt, aber kein Volltrottel.“
Der Alt-Star lässt sich zum Comeback überreden. Die Texte seiner Schmachtfetzen schreibt er vorsichtshalber auf. Zur Not tut es live dann ein „La la la!“. Hauptsache, die Signalwörter „corazón“ (Herz) und „amor“ (Liebe) werden gefühlvoll in Musik verpackt. Da füllt sich beim Fünf-Uhr-Tee die Tanzfläche.
„Amor“ und (anfangs) Granada spielt es auch zwischen dem frustrierten Julio, von Beruf eigentlich Schuhhändler (ohne Kundschaft), und der resoluten Taxlerin Mariela (Marina Bellati). „Phallokrat!“, schimpft sie ihn beim ersten, unfreiwilligen Treffen. Eine Ampel übersehend, hat sie da gerade Julios Auto geschrottet. Blöd, ist er doch im Begriff, sein weniges Hab und Gut zu verscherbeln, um in Deutschland neu anzufangen.
Neue Liebe Mariela, alte Liebe Tango: Wie soll da die Flucht gelingen?