Wundersame Rettung in Kolumbien

Kinder überlebten 40 Tage im Dschungel: Mutter starb erst nach vier Tagen

Ein Militärarzt überprüfte vor dem Abflug im Helikopter den Gesundheitszustand der Kinder.
© AFP

Die älteste Tochter erzählte ihrem Vater, dass ihre Mutter nach dem Absturz noch gelebt habe. Zudem hätten sich die Kinder vor Suchtrupps versteckt, weil sie Angst vor Banden hatten.

Bogotá – Die Mutter der aus dem Regenwald im Süden von Kolumbien geretteten Kinder soll nach dem Flugzeugabsturz vor über einem Monat noch einige Tage gelebt haben. "Meine älteste Tochter hat mir gesagt, dass ihre Mutter noch vier Tage gelebt hat", sagte der Vater der Geschwister am Sonntag in der Hauptstadt Bogotá. "Bevor sie starb, hat sie vielleicht gesagt: Geht." Viel mehr hätten ihm seine Kinder über die Zeit im Dschungel noch nicht erzählt.

Es ist nicht leicht, sie zu fragen. Sie haben 40 Tage nicht richtig gegessen, nicht gut geschlafen. Ich hoffe, dass die Kinder sich gut erholen, dann können sie selbst erzählen, was passiert ist.
Vater der geretteten Kinder

Nach der Rettung seiner vier Kinder aus dem Regenwald im Süden von Kolumbien berichtete der Vater der Geschwister von Morddrohungen durch eine Splittergruppe der Guerillaorganisation Farc. "Die Front Carolina Ramírez sucht mich, um mich zu töten. Es gibt Drohungen gegen mich, ich bin ein Ziel für sie", sagte Manuel Ranoque am Sonntag in der Hauptstadt Bogotá. "Sie haben wirtschaftliche Interessen, und wenn man nicht tut, was sie sagen, ist man ein Feind für sie." Die Front Carolina Ramírez ist eine Splittergruppe der Rebellengruppe Farc, die das 2016 unterzeichnete Friedensabkommen nicht mitträgt. Sie ist in den Drogenhandel verwickelt und soll im Süden des Landes zuletzt vier Minderjährige getötet haben.

Angesichts der Umstände sind sie in einem akzeptablen Zustand.
Militärarzt Carlos Rincón Arango

Die vier Geschwister, die 40 Tage im kolumbianischen Regenwald überlebten, werden nach ihrer Rettung im Militärhospital der Hauptstadt Bogotá versorgt. „Angesichts der Umstände sind sie in einem akzeptablen Zustand“, sagte Militärarzt Carlos Rincón Arango am Wochenende. „Sie haben mehrere leichte Verletzungen und sind unterernährt. Wir machen jetzt eine Reihe pädiatrischer Untersuchungen und bringen sie wieder zu Kräften. Sie werden wohl zwei bis drei Wochen im Krankenhaus bleiben müssen.“

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Die entscheidenden Faktoren

Wie die vermissten Kinder 40 Tage im dichten Dschungel überleben konnten

Suchtrupps hatten die Kinder am Freitag gefunden. Sie waren am 1. Mai mit einer Propellermaschine im Department Caquetá abgestürzt. Private Kleinflugzeuge sind in der unwegsamen Region oft die einzige Möglichkeit, größere Strecken zurückzulegen. Bei dem Unglück kamen die Mutter der Kinder, der Pilot und ein indigener Anführer ums Leben. Über einen Monat lang hatten Soldaten und Indigene in dem unwegsamen Gebiet nach den Geschwistern gesucht.

Wegen krimineller Gruppen versteckt

„Sie schlafen. Sie sind unterernährt. Sie sind dünn, sehr dünn“, sagte der Großvater Filencio Valencia der Zeitung El Tiempo am Samstag, nachdem er seine Enkel im Militärhospital in Bogotá getroffen hatte. Auch die Großmutter Fátima Valencia besuchte die Geschwister. „Ich weine vor Freude. Die Kinder sind erschöpft, aber ich habe das Fleisch und Blut meiner Tochter zurück.“

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Den Großeltern erzählten die Kinder, dass sie sich vor den Suchmannschaften hinter Bäumen versteckt hatten oder weggerannt seien. Das hatten Soldaten und Indigene bereits während der Suche befürchtet, denn in der Region sind kriminelle Gruppen aktiv. Deshalb war in den vergangenen Tagen über Lautsprecher eine Botschaft der Großmutter an die Kinder in den Regenwald geschickt worden. Darin bat sie ihre Enkel, sich finden zu lassen.

Die Kinder – ein Junge und drei Mädchen, das jüngste gerade ein Jahr alt, das älteste immerhin 13 – gehören zu einer indigenen Gemeinschaft. Ihre Kenntnis der Region dürfte ihnen geholfen haben, nach dem Absturz im Dschungel zu überleben.

Die Kinder sind erschöpft, aber ich habe das Fleisch und Blut meiner Tochter zurück.
Fátima Valencia (Großmutter)

„Menschen können bis zu 30 Tage überleben, ohne sich ausgewogen zu ernähren“, sagte die Ernährungswissenschafterin Liliana Dávila dem Fernsehsender RCN. „Wenn die Kinder gut hydriert sind, ist es möglich, eine lange Zeit ohne Nahrung zu überleben. Im Dschungel ist es einfach, Regenwasser aufzufangen.“

Auch der Vater der Geschwister beteiligte sich an der Suche. Nachdem die Kinder gefunden worden waren, begleitete er sie in das Militärhospital in Bogotá. „Ich bin auch aufgenommen worden“, sagte Manuel Ranoque. „Ich habe hohes Fieber. Ich habe 40 Tage darum gekämpft, meine Kinder wiederzufinden.“

Die Tochter des kolumbianischen Präsidenten, Sofia Petro, besuchte mit ihrem Vater die Kinder im Spital.
© AFP

Auf dem Flug nach Bogotá bat er den General der Spezialeinsatzkräfte, Pedro Sánchez, Pate seiner jüngsten Tochter zu werden. „Es ist mir eine Ehre“, habe er geantwortet, erzählte der Offizier im Fernsehsender Caracol. „Ich bin nach Hause gegangen und habe meiner Frau gesagt: Wir werden eine Tochter haben. Auch wenn sie einen anderen Nachnamen trägt, es ist egal. Es geht darum, was man im Herzen, in der Seele fühlt.“

Auch der kolumbianische Präsident Gustavo Petro hat die Kinder besucht. Auf Fotos war zu sehen, wie er und seine Tochter Sofia Petro am Bett der Geschwister standen und sich bei den Pflegekräften bedankten. „Heute haben wir einen magischen Tag erlebt“, sagte er nach seiner Rückkehr aus Kuba. Dort hatte er einen Waffenstillstand mit der linken Guerillaorganisation ELN bekannt gegeben, direkt nach der Landung erfuhr Petro dann von der Rettung der Kinder. „Sie waren allein, aber sie haben ein Beispiel des Überlebens gesetzt, das in die Geschichte eingehen wird. So sind diese Kinder heute die Kinder des Friedens, die Kinder Kolumbiens.“

Ich bin nach Hause gegangen und habe meiner Frau gesagt: Wir werden eine Tochter haben.
Pedro Sánchez (General der Spezialeinsatzkräfte)

Noch nicht wieder aufgetaucht ist ein am Sucheinsatz beteiligter Hund. „Wir lassen niemals einen Kameraden auf dem Schlachtfeld zurück“, sagte der Kommandeur der Streitkräfte, General Helder Fernan Giraldo Bonilla. „Wir suchen weiter nach Wilson, der sich in seinem Eifer, die Kinder zu finden, von den Truppen entfernt und verlaufen hat.“

Die kolumbianische Sängerin Shakira (46) hat den Suchmannschaften für die Rettung der Kinder gedankt. „Das Leid von Lesly, Soleiny, Tien und Cristin und das Wunder ihres Lebens haben uns alle erschüttert und uns das beste Beispiel für Einigkeit und Widerstandsfähigkeit gegeben“, twitterte sie außerdem. (TT, dpa)

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