Richard Strauss’ „Elektra“

Reitmeiers Finale am Landestheater: Der Racheengel watet im Blut

Elektra (Aile Asszonyi) tröstet Chrysothemis (Magdalena Hinterdobler), als beide vom scheinbaren Tod des Bruders erfahren.
© Birgit Gufler

Die letzte Inszenierung von Intendant Johannes Reitmeier am Landestheater wurde zum Triumph. Aile Asszonyi begeisterte als grandiose Hauptdarstellerin in Richard Strauss’ „Elektra“.

Innsbruck – Blut, überall Blut, sei es von Mensch oder (Opfer-)Tier, abgrundtiefer Hass und Tote ringsum – die Oper „Elektra“ von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal ist nichts für Zartbesaitete. Da bleibt für das Publikum nur wenig Raum zum Durchatmen.

Mit einem derart bitterbösen und dunklen Drama verabschiedete sich Johannes Reitmeier am Sonntag von seinem Innsbrucker Publikum. Und dabei gelang ihm der große Wurf: eine perfekte Inszenierung zum Abschied, von der man noch lange sprechen wird.

Da ging alles auf, von der ersten bis zur letzten Minute. Unterstützt vom effektvollen Licht von Ralph Kopp und stimmigen Kostümen von Michael D. Zimmermann sowie dem tiefgründigem Bühnenbild von Thomas Dörfler.

Regiearbeit glänzt besonders

Ein Erfolgsrezept liegt sicherlich in der geschickten Reduzierung des Geschehens auf der Bühne, die der überwältigenden, in den Strudel des Abgrundes der antiken Tragödie ziehenden Musik von Richard Strauss zusätzliche Wirkung gibt. Wohl eine der besten Regiearbeiten der vergangenen Jahre, die im großen Haus zu sehen war.

Selbst die Umdeutung des Endes, wo Elektra durch das Messer ihres Bruders und nicht wie eigentlich vorgesehen in ekstatischem Tanz stirbt, klappt. Sie ist eben nicht nur Täterin, sondern auch Opfer. Elektra hasst und wird gehasst.

Bühnenbildner Dörfler verlagert die Handlung in ein Hallenbad. Damit spielt er auf dem Tod von Elektras Vater Agamemnon an, der von seinen Feinden im Bad erstochen wird. Doch statt mit Wasser füllt sich das Becken auf der Bühne mit Blut, kübelweise von der Dienerschaft herangeschafft.

Elektras Mutter Klytämnestra will mit Opfergaben ihre Alpträume endlich loswerden. Auch Elektra verlangt nach Blut für den Mord an ihrem Vater – in diesem Fall von ihrer Mutter und deren Liebhaber Aegisth. Zu ihrem Werkzeug wird schließlich ihr Bruder Orest, der die Rache für sie vollzieht.

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Ein bisschen Licht in diese schreckliche Familienaufstellung bringt Elektras Schwester Chrysothemis mit ihrer Sehnsucht nach Leben und Muttersein.

Elektra

Nächste Aufführung: 17.6. www.landestheater.at

Es ist nicht nur der Abend von Johannes Reitmeier, es ist noch mehr der Abend der estnischen Sängerin Aile Asszonyi in der Hauptrolle. Sie verfügt über einen hochdramatischen Sopran mit einer schier unendlichen Ausdrucksstärke, in der Höhe sicher und strahlend oder auch schon fast hysterisch Elektras Obsession hinausschreiend – eine Darstellung, die unter die Haut ging.

Ein weiterer Lichtblick war die Leistung von Magdalena Hinterdobler als Chrysothemis mit ihrem wunderschönen Sopran, die die Sehnsucht nach Schwangerschaft und Kindern mit warmen Tönen hingebungsvoll vermittelte. Einer der Momente, in denen in der dem antiken Drama nachempfundenen Oper so etwas wie ein Fünkchen Hoffnung und Licht aufkeimt.

Angela Denoke als Klytämnestra war ganz Dame und Herrscherin mit beeindruckender musikalischer wie schauspielerischen Präsenz, nur Elektra konnte sie trotz aller Anstrengungen nicht für sich gewinnen.

Florian Stern als Aegisth, dem eindruckvoll singenden Andreas Mattersberger als Orest und dem Rest des Ensembles muss ein kollektives Bravo ausgesprochen werden – alles makellose Auftritte.

Ja, und dann wäre da noch das Orchester. Das hatte eine Megaaufgabe zu erfüllen. Dabei gab es bei der Premiere zugleich eine Uraufführung: Richard Dünser hat die in Strauss’ Fassung vorgesehenen 111 Orchestermusiker (die in Innsbruck nie Platz gehabt hätten) äußerst geschickt und gekonnt auf die Hälfte reduziert, ohne dass dabei Spannung und Dichtheit der Orchesterstimmen verloren gingen. So bewies das Orchester Klasse und Dirigent Lukas Beikircher zeigte eine gelungene und sichere Stabführung.

Das Ensemble erntete einen Jubelsturm des Publikums, und zuletzt erhob sich Letzteres von den Sitzen, um den auf die Bühne tretenden Reitmeier zu verabschieden. Ein emotionaler Moment.

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