Kika/Leiner-Masseverwalter: Gutscheine und Anzahlungen bleiben gültig, 1900 verlieren ihren Job
Die größte österreichische Firmenpleite seit rund zehn Jahren wirft nach wie vor viele Fragen auf. Am Donnerstag hat Insolvenzverwalter Volker Leitner erstmals zu einem Medientermin geladen – und informierte über den Stand sowie den weiteren Verlauf des Sanierungsverfahrens.
St. Pölten ‒ Die angeschlagene Möbelkette Kika/Leiner will laut Insolvenzverwalter Volker Leitner mit rund 2000 Mitarbeitern in die Zukunft gehen. In Stein gemeißelt ist die Zahl nicht: „Eine Jobgarantie gibt es in einem Insolvenzverfahren nicht", sagte der Jurist am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in St. Pölten. Von den 3296 Mitarbeitern im Möbelhandel und 600 in der Gastronomie sollen 1900 gehen.
Ein Sprecher der Kika/Leiner-Gruppe bestätigte auf Anfrage, dass von den insgesamt 3900 Beschäftigten 1900 ihre Jobs verlieren und nach der Umstrukturierung 2000 Mitarbeiter in dem Unternehmen verbleiben sollen.
Den Mitarbeitern von Kika/Leiner sei das Gehalt bis Ende Mai bezahlt worden, so Leitner. Offen an Insolvenzforderungen und anmeldbar beim Insolvenzentgeltsicherungsfonds seien daher die Zahlungen von 1. Juni bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens am 13. Juni, die mit „nicht allzu großer Verspätung" überwiesen werden dürften. Ab 14. Juni, also im Massezeitraum, „werden die Entgeltansprüche wieder pünktlich bezahlt, zur Gänze aus der Fortführung".
Gutscheine und Anzahlungen abgesichert
„Unser Ziel ist, den Kunden die Unsicherheit zu nehmen", sagte Leitner. „Die Gutscheine sind gesichert und können weiterhin eingelöst werden", so Leitner, Gutscheinbesitzer müssten keine Forderungen einmelden. Dasselbe gelte für bereits getätigte Anzahlungen. „Kundenaufträge werden voll erfüllt."
Die Gültigkeit der Gutscheine in den Filialen sowie die bestehenden Aufträge würden durch einen Kapitalzuschuss des Eigentümers garantiert, hieß es in der Mitteilung. In den von Schließungen betroffenen Filialen soll zudem ein Abverkauf stattfinden.
📽️ Video | Statement von Insolvenzverwalter Leitner
17 Filialen werden weitergeführt
Bei den 23 Filialschließungen sind laut Leitner keine Änderungen geplant, hier soll das bestehende Konzept im Sanierungsverfahren umgesetzt werden. „Das Unternehmen mit 110 Jahren Tradition" soll „weitergeführt werden mit den verbleibenden 17 Filialen. Man kann nur hoffen, dass das alles auch gelingt." Beabsichtigt sind die Filialschließungen im Zeitraum von 15. Juni bis 15. August, voraussichtlich nach dem nun laufenden Abverkauf. Hinsichtlich Kündigungsfristen wird im Schnitt mit drei Monaten gerechnet.
Vorliegend sei „ein sehr plausibles Liquiditätskonzept, das auch die Fortführung gewährleistet". Hinsichtlich der von den neuen Eigentümern Hermann Wieser und Supernova bereitgestellten Mittel wurde bei der Pressekonferenz von einem „hohen zweistelligen Millionenbetrag" gesprochen. Bei einer Annahme des Sanierungsplans im Rahmen der Abstimmung am 25. September sein ein Verfahrensende „Mitte Oktober möglich", blickte Leitner voraus.
Zu Prüfungen der Vergangenheit sowie zu allfälligen daraus resultierenden Ansprüchen sagte der Insolvenzverwalter mit Verweis auf das nicht öffentliche Verfahren nichts Konkretes. Es werde aber selbstverständlich „genau geprüft, ob Ansprüche des Unternehmens gegen Dritte, gegen ehemalige Gesellschafter wie auch immer gegeben sind". Nicht kommentiert wurden auch Fragen nach einer möglichen Insolvenzverschleppung bzw. zu etwaigen Steuerstundungen.
Massiv gestiegene Mietkosten, Signa dementiert
Während von Leitner in vielerlei Hinsicht also keine Zahlen genannt wurden, zitiert der Kurier (Donnerstagsausgabe) aus der noch nicht veröffentlichten Bilanz der Leiner & Kika Möbelhandels GmbH für das Geschäftsjahr 2021/22. Die Rede ist von einem Bilanzverlust von 130,7 Mio. Euro und Stundungen gegenüber dem Finanzamt in Höhe von 52,5 Mio. Euro.
Ins Treffen geführt werden vom Kurier ebenso wie vom Standard massiv gestiegene Mietkosten für Kika/Leiner. Von Signa wird dies in einem übermittelten Statement indes bestritten. Seit der Übernahme 2018 sei es „zu keinen Erhöhungen der marktüblichen Mieten" gekommen.
Vizekanzler Kogle über Benko: „Ganz schöne Rallye hingelegt"
Generell beschäftigte Kika/Leiner am Donnerstag weiterhin auch die Politik. „Auffälligkeiten gibt es mehrere und denen wird jetzt auch nachgegangen", sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Rande einer Pressekonferenz in Wien. Die Gruppe Kika/Leiner und Rene Benko selbst haben offensichtlich eine „ganz schöne Rallye hingelegt, mit Pirouetten, die für andere nicht immer nachvollziehbar waren", meinte Kogler.
„Ich bin guter Dinge, dass jetzt genau draufgeschaut wird, was überhaupt die Vorgänge sind", so der Vizekanzler. Für ihn sei es „eine sehr, sehr gute Nachricht", dass der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, „der sich schon öffentlich zum Teil geäußert hat, aber noch lange nicht über alles, was er selber schon weiß und tut", nun alles durchleuchte, damit die Ansprüche der Republik nun entsprechend geltend gemacht werden können. „Ehrlich gesagt, interessiert es mich auch, was damals vorgegangen ist."
Ruf nach Prüfung
Kika/Leiner-Übernahme durch Benkos Signa: Vorwürfe gegen Finanzministerium
💡 Tipps nach Insolvenz
Gut zu wissen: Gutscheine, Anzahlungen und Co. – was auf Kika/Leiner-Kunden zukommt
Mieten in Millionenhöhe im Fokus
Kika/Leiner mit 132 Mio. Euro Schulden pleite: Offene Fragen um Mieten
Kündigungen stehen an
Hoffnung nach der Schock-Nachricht für rund 170 Kika-Mitarbeiter in Tirol
Unternehmen bekam Corona-Hilfen