ÖGB-Kongress gestartet
Der 20. ÖGB-Bundeskongress ist am Dienstagabend von Bundespräsident Alexander Van der Bellen eröffnet worden. Beim feierlichen Auftakt gab es markige, wenn auch bekannte Forderungen. Präsident Wolfgang Katzian, der sich am Donnerstag der Wiederwahl stellt, lehnte Zurückhaltung bei der kommenden Lohnrunde vehement ab und verlangte Anti-Teuerungsmaßnahmen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bekannte sich zur Sozialpartnerschaft und forderte gegenseitiges Verständnis ein.
Wie üblich hatte die Eröffnung des - nur alle fünf Jahre stattfindenden - Bundeskongresses, der sich einem "guten Leben für alle" widmet, jede Menge politische Prominenz ins Wiener Austria Center gelockt. Bundespräsident Van der Bellen nahm ebenso teil wie sein Vorgänger Heinz Fischer, Bundeskanzler Nehammer, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (beide ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Spitzenvertreter aller Parlamentsparteien außer der NEOS.
Katzian bot ein Potpourri aus dem Programm, das der Kongress beschließen soll. Zentral war - wie schon davor bei der FSG-Bundeskonferenz - der Ruf nach einer Rücknahme der Sozialversicherungsreform, die ja die Macht der Arbeitnehmer-Vertreter beschnitten hatte. "Sehr, sehr dringend" wäre für den Präsidenten auch ein Mietenstopp. Sollten die Energiekosten im Herbst nicht sinken, erwarte er staatliche Eingriffe. Nehammer sicherte umgehend zu, dass man hier eine "klare Allianz" bilden würde.
Die Regierung habe sich entschieden, nicht in den Markt einzugreifen, führte Katzian aus. Das sei der Grund, warum die Inflation so hoch sei. Das sei eine politische Entscheidung gewesen. Damit sei aber auch klar, dass die Lohnabschlüsse entsprechend hoch sein müssten, erläuterte Katzian. Rufe nach Zurückhaltung bei der Lohnrunde seien daher nicht angebracht. Das unterstrich auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in seinem Eröffnungsbeitrag. Er sieht nämlich keine Lohn-Preis-Spirale sondern umgekehrt eine Preis-Lohn-Spirale.
Ähnliche Themen hatten schon die Fraktionskonferenz der roten Gewerkschaft geprägt, dabei auch der Wunsch nach abschlagsfreier Pension nach langer Versicherungsdauer, die auch Ludwig einforderte. Der abtretende FSG-Chef Rainer Wimmer empfing zum Abschied nicht nur die Viktor-Adler-Plakette sondern auch einen Song seines Nachfolgers Josef Muchitsch ("An Tagen wie diesen"). Muchitsch erhielt davor gut 96 Prozent der Delegiertenstimmen.
Fast in den Schatten gestellt wurde das aber vom ersten Auftritt des neuen SPÖ-Chefs Andreas Babler vor den versammelten Gewerkschaftern. Dabei wurde er von den FSG-Delegierten mit minutenlangen Standing Ovations empfangen und auch seine betont kämpferische Ansprache wurde wiederholte Male von Zwischenapplaus unterbrochen.
Babler spulte sein aus dem SPÖ-internen Wahlkampf schon bekanntes Programm herunter, indem er auf seine Jugend als Arbeiterkind verwies, wiederholte Male betonte, dass die Arbeitnehmer keine Bittsteller seien und forderte, mit Leidenschaft hinaus zu den Menschen zu gehen: "Wir werden raus müssen aus den Hinterzimmern."
Den neuen SPÖ-Chef hat man sichtlich in der ÖVP schon registriert. Bei der Tagung der Christgewerkschafter verurteilte Nehammer mit Blick auf Bablers frühere Aussagen nämlich, dass der Marxismus wieder "als Lösungsmodell herausgezogen wird aus dem Archiv der Geschichte". Kein Land oder Volk, das sich dem Marxismus verschrieben habe, "war jemals glücklich regiert oder konnte sein Glück frei entfalten", so der Bundeskanzler.
Heraus aus der Fraktion bei der Eröffnung des gesamten Bundeskongresses verzichtete Nehammer dann auf polemische Formulierungen. Vielmehr nannte er die Sozialpartnerschaft als großen Wert auch für die Zukunft. Man möge weiter heftig streiten und diskutieren aber auch das Gemeinsame sehen: "Ohne Arbeitgeber gibt es keine Arbeitnehmer, ohne Arbeitnehmer keine Arbeitgeber."
In der FCG stand davor ein Führungswechsel im Mittelpunkt. Norbert Schnedl kandidierte nicht mehr, für ihn übernahm die VP-Nationalratsabgeordnete Romana Deckenbacher mit 97,5 Prozent. Schnedl beschwor in seiner Abschiedsrede Zusammenhalt und Konsequenz der Christgewerkschafter. Deckenbacher nannte den Kampf gegen den Arbeitskräftemangel, für Bildung und auch Arbeitszeitreduzierung, Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen und Kinderbetreuungsausbau als wichtige Anliegen.
Eine launige Rede ohne Kanten bot zum Abschluss der Bundespräsident, der die Gewerkschafter und Betriebsräte seiner Wertschätzung versicherte und sich wohl noch etwas für die Zukunft aufhob. Mit Blick auf den nächsten Bundeskongress meinte das Staatsoberhaupt feixend: "2028 bin ich noch immer Bundespräsident."