Babler von roten Gewerkschaftern begeistert empfangen
Der ÖGB-Kongress ist mit neuen Fraktionschefs gestartet: Bei den Sozialdemokraten übernimmt Josef Muchitsch von Rainer Wimmer, bei den Christgewerkschaftern Romana Deckenbacher von Norbert Schnedl. Eine Rede vom neuen SPÖ-Chef kam beim FSG gut an.
Wien – Andreas Babler hat einen aus seiner Sicht geglückten Erstauftritt vor den versammelten roten Gewerkschaftern absolviert. Bei der Bundeskonferenz der FSG vor Beginn des ÖGB-Bundeskongresses wurde er mit minutenlangen Standing Ovations empfangen und auch seine betont kämpferische Ansprache wurde wiederholte Male von Zwischenapplaus unterbrochen. Neuer Chef der sozialdemokratischen Gewerkschafter ist indes Josef Muchitsch.
Babler spulte sein aus dem SPÖ-internen Wahlkampf schon bekanntes Programm herunter, indem er auf seine Jugend als Arbeiterkind verwies, wiederholte Male betonte, dass die Arbeitnehmer keine Bittsteller seien und forderte, mit Leidenschaft hinaus zu den Menschen zu gehen: "Wir werden raus müssen aus den Hinterzimmern."
Besonders Anklang fand, dass der SPÖ-Chef meinte: "Ich würde mir wünschen, dass jedes Parteimitglied Gewerkschaftsmitglied wird." Gemeinsam solle man jetzt "ein Stück unserer Rechte zurückholen", meinte Babler: "Wir müssen gemeinsam auf den Tisch hauen." Unter anderem wertete er die Kassenreform als "Sauerei". Auch auf EU-Ebene brauche es Änderungen, habe die Union doch ihr Wohlstandsversprechen nicht eingelöst. Einmal mehr betonte Babler auch, dass Gastarbeiter keine Bittsteller seien und deren Rechte aufgewertet werden sollten.
📽️ Video | Babler begeistert empfangen
Muchitsch mit 96,2 Prozent gewählt
Widerrede gab es nicht. Kein einziger Delegierter meldete sich zu einem Debattenbeitrag. Vielleicht war man auch schon auf das Wahlergebnis gespannt, das im Anschluss an Bablers Rede verkündet wurde. Muchitsch wurde mit 96,2 Prozent zum Nachfolger von Rainer Wimmer gewählt, Wolfgang Katzian mit 94,2 Prozent zum Kandidaten für das ÖGB-Präsidentenamt.
Schon am Vormittag hatten Wimmer, dem von Babler die Viktor-Adler-Plakette überreicht wurde, und Muchitsch Pflöcke eingeschlagen. Wimmer warnte innerparteilich, nicht wieder die Kollektivvertragshoheit der Gewerkschaft über einen gesetzlichen Mindestlohn in Frage zu stellen, wie das der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) gemacht hatte: "Kollektivvertragspolitik ist Gewerkschaftspolitik und wird es immer bleiben." Gleichzeitig machte Wimmer aber klar, dass zwischen SPÖ und FSG kein Löschblatt passe: "Wir sind unschlagbar, wenn wir gemeinsam marschieren."
Inhaltlich dominierten gewerkschaftliche Klassiker. Die Abschlagsfreiheit bei den Pensionen will Wimmer wieder erkämpfen: "Schampus saufen, aber Pensionen kürzen", warf er der Volkspartei vor und auch, dass diese auf die Gewerkschaft noch drauf getreten sei, als sich Sebastian Kurz (ÖVP) an die Macht "geschwindelt" habe. Doch Wimmer garantierte: "Wir holen uns die Selbstverwaltung, die Sozialversicherung zurück." Muchitsch ging es im Ton dezenter, in der Sache aber genauso kantig an. Es sei höchste Zeit, die Arbeitszeit zu verkürzen. Außerdem brauche es die klare Vision der sechsten Urlaubswoche. Eine weitere Forderung betraf neue Vermögenssteuern. Die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld soll auf 70 Prozent angehoben werden, wenn es nach dem neuen FSG-Chef geht.
Schnedl übergibt Amt nach 17 Jahren
In der FCG, die etwas später mit ihrem Bundestag startete, kandidiert Norbert Schnedl nach 17 Jahren im Amt nicht mehr. Seine Position wird die ÖVP-Nationalratsabgeordnete Romana Deckenbacher übernehmen, ihre Wahl ist für den Nachmittag angesetzt. Designiert wurde sie einstimmig.
Schnedl beschwor in seiner Abschiedsrede Zusammenhalt und Konsequenz der Christgewerkschafter, was dazu geführt habe, dass sich die FCG in seinen 17 Jahren an der Spitze von unter 23 auf knapp 30 Prozent Stimmanteil emporarbeiten konnte. Den "Spirit der christlichen Soziallehre" sah er bei seiner Nachfolgerin gut aufgehoben. Sie sei durchsetzungsstark, in Wien-Brigittenau und damit einem "Battle Ground" politisch verankert und habe das Gewerkschafterherz am rechten Fleck.
Deckenbacher schmetterte gleich einmal ein "herzliches Grüß Gott" ins Publikum, denn "so sagen nämlich wir, wir Christgewerkschafterinnen und Christgewerkschafter". Sie nannte den Kampf gegen den Arbeitskräftemangel, für Bildung und auch Arbeitszeitreduzierung, Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen und Kinderbetreuungsausbau als wichtige Anliegen. Die FCG stehe aber auch für den Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, denn "wir sind Garant für den sozialen Frieden".
Nehammer verurteilt „Marxismus als Lösungsmodell“
Politische Festlegungen gab es dann bei der Wortmeldung von ÖVP-Obmann Karl Nehammer. Dass der Marxismus wieder "als Lösungsmodell herausgezogen wird aus dem Archiv der Geschichte", verurteilte er. Kein Land oder Volk, das sich dem Marxismus verschrieben habe, "war jemals glücklich regiert oder konnte sein Glück frei entfalten", so der Bundeskanzler. Ins selbe Horn stieß ÖVP-Klubobmann August Wöginger, der für kommende Wahlkämpfe zu mobilisieren versuchte, damit Nehammer auch in Zukunft Kanzler bleibe. "Vermeiden wir, dass ein Kommunist, ein Marxist oder ein rechtsextremer Populist an die Spitze des Staates kommt", sagte Wöginger.
Die offizielle Eröffnung des 20. Bundeskongresses geht dann am Nachmittag in Szene. Neben Präsident Wolfgang Katzian, der sich erst am Donnerstag der Wiederwahl stellt, werden auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Nehammer, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Esther Lynch, Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbunds, das Wort ergreifen (APA)