Von Schule bis Uni

Diskriminierung im Bildungswesen: Von 158 Fällen nur einer mit Konsequenzen

Häufigster Ort, an dem die gemeldeten Diskriminierungen stattgefunden haben, waren Schulen (Symbolfoto).
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Laut der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen gibt es bei Fällen von Diskriminierung an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen weiterhin so gut wie nie Konsequenzen.

Wien – Rassismus ist im österreichischen Bildungswesen immer noch der häufigste Grunde für Diskriminierung, zeigt der am Freitag in Wien präsentierte Jahresbericht 2022 der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen (IDB). Konsequenzen haben solche Vorfälle weiterhin so gut wie nie, wie IDB-Obfrau Sonia Zaafrani bei der Präsentation des Berichts am Freitag vor Journalisten kritisierte.

158 Fälle dokumentiert, nur einer mit Konsequenzen

Insgesamt wurden der Initiative im vergangenen Jahr über digitale Kanäle oder Kooperationspartner 158 Fälle von Diskriminierung im Bildungswesen gemeldet. Seit Beginn der IDB-Berichte 2016 seien 1190 Fälle von Diskriminierung zugetragen worden, "in denen das Qualitätsmanagegement des österreichischen Bildungswesens versagt hat".

Konsequenzen hatte das diskriminierende Verhalten laut Bericht nur in einem einzigen Fall, nämlich bei einer Lehrerin, die im Unterricht das N-Wort benutzt hatte und zu einer Antirassismus-Schulung verpflichtet wurde. Solche Fälle gebe es allerdings jedes Jahr, so Zaafrani, obwohl es sofort per Dienstanweisung abzustellen wäre.

Häufigster Ort, an dem die gemeldeten Diskriminierungen stattgefunden haben, waren Schulen (59 Prozent). Erst mit Abstand folgen Meldungen zu sonstigen Bildungseinrichtungen wie Kursanbietern (25,5). Etwa ein Zehntel der Meldungen betraf Universitäten, 4,5 Prozent Kindergärten.

Mit Abstand am häufigsten wurde diskriminierendes Verhalten durch Lehrpersonal oder Professorinnen bzw. Professoren gemeldet (52 Prozent), gefolgt von Leitungen von Bildungseinrichtungen (12 Prozent) bzw. Direktorinnen und Direktoren (10,5). Vorfälle mit der Kollegenschaft oder Mitschülerinnen und Mitschülern betrafen 6 bzw. 4 Prozent.

Motiv: Rassismus

Als Motiv wurde der IDB am häufigsten rassistische Diskriminierung genannt (84 Prozent), in 16 Prozent ging es um die Ethnie, bei acht Prozent um die Hautfarbe. Dabei betonte Zaafrani, dass die IDB-Zahlen insgesamt nicht repräsentativ seien und sich sehr oft mehrere Formen überlappen würden. Bei 39 Prozent wurde die (zugeschriebene) religiöse Zugehörigkeit als Diskriminierungsgrund genannt, bei 36 Prozent ging es um dezidiert islamfeindliche Diskriminierung. Sechs Prozent der Meldungen betrafen Diskriminierung wegen der Geschlechtsidentität, fünf Prozent wegen Intergeschlechtlichkeit bzw. Variationen der Geschlechtsmerkmale.

Im Bericht ist etwa die Rede von einer Lehrerin, die eine Schülerin zum Ablegen des Kopftuchs aufforderte, "weil wir hier in Österreich sind". In einem Kurs sei ein junges afghanisches Mädchen aufgefordert worden, den Kurs zu verlassen, weil es stinke. Andere Beispiele betreffen eine AHS, an der im Unterricht ein Text mit dem N-Wort und "zutiefst rassistischem Beigeschmack" zum Einsatz kam, oder ein Uni-Seminar, in dem Menschen mit Behinderung konsequent als "nicht normal" dargestellt wurden.

Strukturelle Diskriminierung

Dazu komme noch strukturelle Diskriminierung, etwa durch das Aussondern bestimmter Kinder in Deutschförderklassen, den fehlenden Rechtsanspruch von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung auf ein 11. und 12. Schuljahr oder Klassismus, durch den Kinder aus Arbeiterfamilien immer noch geringere Chancen auf ein Hochschulstudium haben, ergänzte Katharina Kulesza vom IDB.

Wenn der politische Wille da wäre, wäre es ganz leicht, Diskriminierung im Bildungswesen abzudrehen.
IDB-Obfrau Sonia Zaafrani

Um Verbesserungen anzustoßen und über Alternativen nachzudenken, brauche es in Österreich "immer einen gewissen Leidensdruck", betonte Persy-Lowis Bulayami vom IDB. Derzeit sei vor allem die Zivilgesellschaft aktiv, gefordert seien aber auch Bund und Länder, die Probleme gemeinsam anzugehen. "Wenn der politische Wille da wäre, wäre es ganz leicht, Diskriminierung im Bildungswesen abzudrehen", forderte Zaafrani entsprechende Dienstanweisungen und Gesetzgebung. Auch die Qualitätssicherung funktioniere derzeit nicht. Ein wichtiger Hebel wäre außerdem mehr Diversität beim Lehrpersonal und den Schulleitungen, "das würde zu massiven Verbesserungen führen und keinen Cent kosten".(APA)