Ausschreitungen in Roubaix

Welle der Gewalt nach Tod eines Jugendlichen in Frankreich: „Wir werden sie schocken“

Ein abgefackeltes Auto in Roubaix. Die Feuerwehr stand in der Nacht im Dauereinsatz.
© DENIS CHARLET

Schwarzer Rauch steigt in den Himmel über Roubaix, einer der ärmsten Städte Frankreichs. Nach dem Tod des 17-jährigen Nahel M. durch eine Polizeikugel kommt es zu Ausschreitungen.

Von Zoé Leroy, AFP

Roubaix – Die Feuerwehr in Roubaix ist bis zum Freitagmorgen im Dauereinsatz: Löscht sie einen Brand, legen randalierende Jugendliche bereits das nächste Feuer. Wie in der nordfranzösischen Stadt gab es in ganz Frankreich die dritte Nacht infolge Ausschreitungen, nachdem am Dienstag ein Polizist den 17 Jahre alten Nahel M. erschossen hatte.

Schwarzer Rauch steigt in den Himmel über Roubaix, der immer wieder von explodierendem Feuerwerk erhellt wird. Ein Hubschrauber der Gendarmerie knattert durch die Luft. Die Feuerwehrleute am Boden sind überfordert. In kleinen Gruppen ziehen die Demonstranten durch die Stadt und lassen ihrer Wut freien Lauf. Die Einsatzwagen rasen durch die Stadt – eine der ärmsten im Land.

Bar und Restaurant des Theaters Colisée de Roubaix liegen in Trümmern.
© DENIS CHARLET

Kurz nach Mitternacht steht das B&B Hotel in der Nähe des Bahnhofs in Brand, die Hotelgäste sind auf die Straße gerannt. Die Randalierer hatten das Geschäft im Erdgeschoss angezündet, wie ein Augenzeuge berichtet. Die Löscharbeiten sind noch nicht zu Ende, da berichten Anrainer bereits von einem weiteren Feuer in einem großen Bürogebäude in der Nähe. Ein paar Straßen weiter schildert ein Zeuge, wie eine Gruppe von etwa 50 Leuten die Filiale eines Anlageberaters in Brand setzte.

"In zwei Tagen haben sie soviel angerichtet wie die Gelbwesten in zwei Jahren", kommentiert ein Passant die Szene und vergleicht die derzeitigen Ausschreitungen mit der Protestbewegung von 2018 und 2019. Wie alle Befragten will der Mann seinen Namen nicht nennen.

📽️ Video | Erneut Unruhen nach Tod eines Jugendlichen

Auch in einem Sozialzentrum brennt es in der Nacht, im Colisée Theater werden Fensterscheiben eingeschlagen. In der Nachbarstadt Lille legen die Randalierer Feuer im Rathaus im Stadtteil Wazemmes.

Sofiane, ein Busfahrer, steht vor der rußgeschwärzten Fassade. "Ein Rathaus abzufackeln führt doch zu nichts", sagt der 22-Jährige. Er verurteilt die Tat des Polizisten, der Nahel M. aus nächster Nähe bei einer Verkehrskontrolle im Pariser Vorort Nanterre erschoss. "Aber öffentliche Einrichtungen angreifen – was soll das bringen?"

Ein Rathaus abzufackeln führt doch zu nichts.
Sofiane (22)

Auch Brice Lauret, ein Nachbarschaftsrat, ist empört: "Ich kann die Wut verstehen, aber nicht die Gewalt", sagt er. "Das ist indiskutabel." Die Stadtverwaltung von Lille berichtet auch von Angriffen auf drei Schulen und Steinwürfen auf ein weiteres Rathaus. Geschäfte und Supermärkte seien geplündert worden. Die Behörde macht "kleine, sehr mobile Gruppen von sehr jungen Leuten" für die Gewalt verantwortlich. Am Nachmittag verbreitete sich über Twitter ein Aufruf, der die Gewalt bereits erahnen ließ: "Bringt Mörser, Sturmhauben und so weiter mit. Wir werden viele sein ... wir werden sie schocken."

Ein vom Feuer zerstörtes Firmengebäude im Bezirk Alma.
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Sie haben einen unschuldigen Jugendlichen getötet, sie müssen aufhören.
Ein Passant (16)

Los ging es um 21.00 Uhr am Donnerstagabend rund um die Polizeizentrale in Lille. Jugendliche stecken Mülltonnen und Autos in Brand und werfen Schaufenster ein. Polizisten der Spezialeinheit Raid sind mit einem Quad und einem gepanzerten Fahrzeug unterwegs. Sie versuchen, die Gruppen zurückzudrängen. "Die Polizisten glauben, sich alles herausnehmen zu können", sagt ein 16 Jahre alter Passant. "Sie haben einen unschuldigen Jugendlichen getötet, sie müssen aufhören." "Der Tod von Nahel ist schlimm und ungerechtfertigt", urteilt ein anderer, etwas älterer Beobachter der Auseinandersetzungen. "Aber die Reaktion ist falsch, die Beamten anzugreifen bringt nichts."

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