Twitter-Turbulenzen geben Mastodon Nutzer-Schub: Wer ist der Mini-Konkurrent?
Wegen der Lesebeschränkungen bei Twitter wenden sich immer Nutzer dem deutschen Mini-Konkurrenten Mastodon zu. Binnen weniger Tage sei die Kundenbasis um 110.000 gewachsen, hieß es.
Frankfurt (APA/Reuters) - Die Aufregung um die Lesebeschränkungen bei Twitter treibt dem deutschen Konkurrenten Mastodon immer mehr Nutzer in die Arme. "Es sieht so aus, als ob die Zahl der aktiven Nutzer von Mastodon in den letzten Tagen um 110.000 gestiegen ist", schrieb Eugen Rochko, der Gründer des deutschen Kurznachrichtendienstes, in der Nacht zum Montag. "Ich würde es vorziehen, wenn Elon Musk seine Internet-Seite während der Arbeitswoche zerstören würde. Dies ist nicht das erste Mal."
Lesebeschränkungen bei Twitter
Twitter-Eigner Elon Musk hatte am Wochenende die Zahl der Nachrichten, die Nutzer pro Tag lesen können, limitiert. Dadurch will er verhindern, dass Firmen wie der ChatGPT-Macher OpenAI die dort verfügbaren Informationen in großem Stil abgreifen, um damit ihre Künstlichen Intelligenz (KI) zu trainieren.
Die nach einem eiszeitlichen Verwandten des Mammut benannte Plattform gehört zu den Profiteuren der Turbulenzen nach der Twitter-Übernahme durch den Milliardär Musk im Herbst 2022. Der Tesla-Chef des US-Elektroautobauers Tesla stößt Nutzer und Werbetreibende mit seinen erratischen Entscheidungen immer wieder vor den Kopf.
Nach eigenen Angaben zählt Mastodon derzeit etwa 1,3 Millionen monatlich aktive Nutzerinnen und Nutzer. Bei Twitter sind allerdings noch immer etwa 200-mal so viele jeden Tag aktiv. Doch was genau ist Mastodon und wer steckt hinter der Plattform? Der Twitter-Konkurrent im Überblick:
WAS IST MASTODON?
Mastodon ist eine kostenlose Plattform für Kurznachrichten, wo man trötet statt tweetet und teilt statt retweetet. Nicht ein blauer Vogel, sondern ein blaues Mammut ist das Logo der Website. Einzelne Posts dürfen bis zu 500 Zeichen lang sein, auch Fotos und Videos können geteilt werden. Nachrichten werden favorisiert und Profile werden verfolgt.
Soweit ähnelt der deutsche Dienst dem US-Konkurrenten Twitter, dennoch unterscheiden sich die beiden Plattformen vor allem in ihrem Geschäftsmodell. Mastodon ist eine gemeinnützige Organisation ohne Werbung, die zum Großteil aus Spenden und Sponsoring finanziert wird. Zudem erscheinen Posts chronologisch, das heißt: Algorithmen - die auf Basis des Verhaltens eines Nutzers unter anderem bestimmen, in welcher Reihenfolge Posts erscheinen oder welche Werbung angezeigt wird - gibt es nicht.
Um das Mastodon-Netzwerk aktiv nutzen zu können, muss man ein Profil erstellen. Dieser Prozess unterscheidet sich vom Anmeldeprozess bei anderen sozialen Medien, weil man sich nicht bei der Seite direkt, sondern bei einem Server anmelden muss. Das ist am besten vergleichbar mit dem Erstellen einer E-Mail-Adresse. Man schließt sich einem bestimmten Dienstleister wie Outlook oder Gmail an, kann aber jede Person oder Einrichtung kontaktieren, die eine eigene Adresse hat. Das heißt in dem Fall: Unabhängig vom Anbieter wird man Teil der Community.
Sobald die Wahl für einen bestimmten Server gefallen und ein Account erstellt ist, kann man auf Mastodon Profilen folgen, Privatnachrichten senden und Themen über Hashtags verfolgen.
Mastodon ist ein dezentrales Netzwerk. Verschiedene Server, die unter anderem durch Privatorganisation oder Vereine betrieben werden, bilden zusammen die Plattform. Auch die Europäische Union (EU) und die deutsche Regierung betreiben eigene Rechner.
Die verschiedenen Server unterscheiden sich in Größe und Zielgruppe, vor allem aber in ihren Nutzerbedingungen. Mit Blick auf Datenschutz, Online-Regulierung und freie Meinungsäußerung ist Letzteres eine Methode, mit den großen Dilemmata des Internets umzugehen. So können Server jeweils für sich entscheiden, ob und wann sie andere Server blockieren und auf welcher Basis - wenn überhaupt - die Inhalte ihrer Nutzer moderiert werden.
Weil Mastodon ein dezentrales Netzwerk ist, können alle, die wollen, einen Server betreiben. So kam es dazu, dass die rechtsextreme Plattform Gap im Jahr 2019 hier aktiv wurde. Zuvor war Gap von Google und Apple gesperrt worden. "Zwar haben wir mit der Veröffentlichung unseres Quellcodes ... auf die Möglichkeit verzichtet, zu entscheiden, wer unsere Software nutzen darf und wer nicht, aber wir können immer noch entscheiden, mit wem wir als Projekt zusammenarbeiten", teilte Mastodon damals in einer Stellungnahme mit. Demnach werden Server, die Inhalte ihrer User mit Blick auf Sexismus und Rassismus erfolgreich moderieren, von dem Unternehmen gelistet und vorgeschlagen.
WER IST GRÜNDER EUGEN ROCHKO?
Mastodon wurde im Jahr 2016 durch Eugen Rochko gegründet und nach den in der Eiszeit lebenden Verwandten der Mammuts benannt.
Bis heute ist der Computerwissenschaftler, der in Jena studierte, mit einem Gehalt von 2.400 Euro pro Monat der einzige Angestellte in Vollzeit. Gerüchte hätten ihn zur Entwicklung der Twitter-Alternative gebracht, sagte Rochko Anfang 2022 im Reuters-Interview. Damals erwog PayPal-Gründer Peter Thiel den Kauf von Twitter. Sechs Jahre später übernahm Thiels ehemaliger Co-Chef Elon Musk Twitter für 44 Milliarden Dollar (rund 40 Mrd. Euro). (dpa, TT.com)