Im Katalonien-Konflikt droht eine neuerliche Zuspitzung
Der Dialog zwischen Madrid und Barcelona könnte enden, falls in Spanien das rechte Lager an die Regierung kommt.
Barcelona –Um den Katalonien-Konflikt ist es zuletzt ruhiger geworden – zumindest, was die internationale Aufmerksamkeit betrifft. Doch das könnte sich bald ändern. Denn bei der Parlamentswahl in Spanien am 23. Juli zeichnet sich eine mögliche Mehrheit des rechten Lagers ab. Es vertritt gegenüber den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien eine härtere Linie als die derzeitige sozialistische Regierung, die im Parlament auf die Kooperation mit Regionalparteien angewiesen ist. Ganz besonders gilt das für die rechtspopulistische Partei Vox, die im Wahlkampf Stimmung gegen alles macht, was sie als Bedrohung der Einheit des Landes betrachtet.
Allerdings könnte eine neuerliche Zuspitzung des Konflikts mit der Zentralregierung auch der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien einen Schub bescheren. Hofft man in Barcelona vielleicht darauf? – Meritxell Serret, Außenministerin der katalanischen Regierung, will das so nicht stehen lassen.
Zur Person
Meritxell Serret i Aleu amtiert als Ministerin für auswärtige Angelegenheiten und die Europäische Union der Regionalregierung von Katalonien. Zuvor war die studierte Politologin u. a. Landwirtschaftsministerin und Vertreterin Kataloniens bei der EU. Sie ist Mitglied der Linksrepublikaner, die innerhalb des Unabhängigkeitslagers eine gemäßigtere Position vertreten und auf Dialog mit Madrid setzen.
„Es gibt einige Leute, die sagen, wenn es schlechter ist, ist es besser“, räumt sie gegenüber der TT ein. Aber „aus unserer Sicht ist schlechter gleich schlechter. Eine rechtsextreme Regierung zu haben, ist für niemanden gut. Zumindest nicht für diejenigen, die an Demokratie, Menschen- und Bürgerrechte glauben.“
Serret erinnert daran, dass Vox in der Vergangenheit dafür eingetreten sei, die katalanischen Institutionen abzuschaffen und Parteien zu verbieten, die für die Unabhängigkeit eintreten. „Deshalb müssen wir die Menschen davon überzeugen, dass es wichtig ist, zur Wahl zu gehen“ und eine rechtsgerichtete Regierung zu verhindern, sagt Serret. „Derzeit konzentrieren wir uns darauf, Wähler zu mobilisieren, (...) um sicherzustellen, dass unsere Rechte, unsere Institutionen, unsere Kultur und Sprache erhalten bleiben.“
Allerdings ziehen auch im Unabhängigkeitslager nicht alle an einem Strang. Serret gehört zu den gemäßigteren Linksrepublikanern, die auf Dialog mit Madrid setzen. Dieser Dialog war vor einem Jahr vorübergehend auf Eis gelegt worden. Es war nämlich herausgekommen, dass der spanische Staat Dutzende Vertreter des Unabhängigkeitslagers mithilfe der Software Pegasus ausspioniert hat. Auch Serret wurde in ihrer Zeit als Vertreterin Kataloniens bei der EU abgehört.
Der Spionageskandal ist noch nicht ganz ausgestanden. Die Ministerin wirft der Zentralregierung mangelnde Transparenz vor – sowie ungenügende Garantien, „dass diese illegale Spionage nicht weitergeht“. Die Opfer fühlten sich nicht geschützt.
Trotzdem entschieden die Linksrepublikaner, die derzeit die Regionalregierung anführen, den Dialog wieder aufzunehmen. Und das hat vor allem mit den Wahlen zu tun. Serret: „Wir waren uns bewusst, dass 2023 ein schwieriges Jahr wird“ – mit Regional- und Parlamentswahlen, gefolgt von der Europawahl ein Jahr später. Anders formuliert: Es ging darum, möglichst noch vor der Wahlkampf-Saison und einem möglichen Regierungswechsel Ergebnisse zu erzielen.
Das ist laut Serret auch gelungen – etwa durch eine Strafrechtsreform, die dazu geführt hat, dass verschiedene Anklagen gegen Anführer des Unabhängigkeitslagers fallengelassen wurden. Serret spricht von einer „großen Errungenschaft“.
Sie selbst gehört zu jenen, die nach der Flucht ins Exil nach Spanien zurückgekehrt sind. Allerdings wurde sie im April 2023 für ein Jahr von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen; derzeit läuft die Berufung. „Ich hoffe, dass ich in der Politik bleiben werde, vorausgesetzt man kann Politik machen, egal ob man innerhalb oder außerhalb der Institutionen ist“, sagt sie über ihre persönliche Zukunft.
Wie es im Katalonien-Konflikt weitergeht, hängt nun stark von der spanischen Parlamentswahl ab. Die Linksrepublikaner wollen weiterverhandeln, könnten aber das Gegenüber in Madrid verlieren. Ihr Hauptziel bleibt ein legales Referendum – was jedoch auf absehbare Zeit als unrealistisch gilt. Serret: „Wir haben immer argumentiert, dass wir es mit einem politischen Konflikt zu tun haben und dass die Lösung politisch und demokratisch und auch friedlich sein muss.“