Israelische Armee beendete Militäreinsatz in Jenin
Das israelische Militär hat seinen größten Einsatz im Westjordanland seit mehr als 20 Jahren offiziell beendet. Alle Soldaten seien aus der Stadt Jenin abgezogen, erklärte die Armee am Mittwoch. Das Militär kehrte zurück zu seinen "Routineaktivitäten" im Westjordanland, viele Einwohner Jenins in ihre Häuser. Getötete Kämpfer wurden beigesetzt.
Israels Armee war am Montag nach Luftangriffen mit rund tausend Soldaten in das keine 80 Kilometer Luftlinie von Jerusalem entfernt liegende Jenin eingerückt. Ausgegebenes Ziel war die Zerschlagung "terroristischer Infrastruktur". Dies sei, so ein Sprecher, nach zwei Tagen blutiger Kämpfe "erfolgreich gelungen". Unzählige Waffen und Sprengsätze wurden demnach beschlagnahmt, Kommandozentralen und Verstecke zerstört sowie nach israelischen Angaben zwölf bewaffnete Kämpfer getötet.
Noch in der Nacht kamen Hunderte Palästinenser im Zentrum des örtlichen Flüchtlingslagers zusammen, um den Abzug zu feiern. Auf Videoaufnahmen waren laute Gesänge, Rufe wie "Gott ist groß" und Schüsse in die Luft zu hören. In der Früh begannen die Aufräumarbeiten. Autos, Straßen, Strom- und Wasserleitungen wurden bei dem Militäreinsatz zerstört und müssen nun repariert werden.
Wie lange die Ruhe in Jenin anhält, ist jedoch ungewiss. "Wir werden zurück sein", sagte ein Armeesprecher in der Früh. Eine Wunderwaffe gegen den Terrorismus gebe es nicht. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu betonte, der Einsatz sei "kein einmaliger Vorgang" gewesen.
So wie der Gazastreifen gelten auch die Region um Jenin und das dortige Flüchtlingslager mit rund 17.000 Einwohnern seit Jahren als Keimzelle für militante Palästinenser. Neben der Hamas haben dort auch der Islamische Jihad sowie weitere lose Extremistengruppierungen an Einfluss gewonnen. Finanziert werden sie größtenteils vom Iran, Israels Erzfeind. Mehrere Bewohner der Stadt verübten in den vergangenen Jahren tödliche Anschläge auf Israelis.
Deshalb wurde die Gegend in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz von Gewalt. Beim letzten vergleichbaren Militäreinsatz im Jahr 2002 lieferten sich israelische Soldaten und militante Palästinenser in den engen Gassen des Lagers tagelange Gefechte. Mehr als 50 Palästinenser und 23 israelische Soldaten wurden getötet. Auch danach kam es dort regelmäßig zu blutigen Konfrontationen.
Hätte es bei dem jüngsten Einsatz wieder Dutzende palästinensische Opfer gegeben, hätten die islamistische Hamas im Gazastreifen sowie die militante Palästinenserorganisation Islamischer Jihad wohl reagieren müssen, sagt Jochanan Zoref vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien. In der Nacht des Abzugs flogen aus dem Küstenstreifen zwar wieder fünf Raketen. "Die Gruppierungen wollte ihre Unterstützung für Jenin signalisieren." Die verhältnismäßig geringe Raketenzahl zeige jedoch, dass sie Gaza nicht wieder in einen bewaffneten Konflikt mit Israel ziehen wollten.
Insbesondere die dort herrschende Hamas, die sich auch für das Wohl der Zivilbevölkerung zuständig sieht, habe sich zuletzt aus bewaffneten Konflikten mit Israel bewusst rausgezogen. Sie sei noch immer geschwächt von vorherigen bewaffneten Runden.
Wie erfolgreich der Militäreinsatz gewesen sei, werde sich in den nächsten Monaten zeigen, sagt Zoref. "Neue Terroranschläge wie in Tel Aviv sind jedoch gewiss." Am Dienstag war ein Palästinenser in eine Gruppe von Menschen gefahren und hatte anschließend auf sie eingestochen.
Beobachter bezweifeln generell, dass der jüngste Militäreinsatz in Jenin zu einer dauerhaften Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beiträgt. Zwar könnten bei solchen Einsätzen einzelne Kämpfer ausgeschaltet werden, sagte Tamir Hayman von der Universität Tel Aviv. "Aber nur die politische Aktion wird langfristig für Stabilität sorgen." Palästinensischen Medien zufolge soll ein Großteil der bewaffneten Kämpfer kurz vor Beginn der Offensive aus Jenin geflohen sein.
Seit 2014 hat es keine ernsthaften Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern mehr gegeben. Ob die rechts-religiöse Regierung von Ministerpräsident Netanyahu diese wieder aufnehmen wird, bleibt fraglich. Insbesondere seine rechtsextremen und siedlungsfreundlichen Koalitionspartner sprechen sich immer wieder für ein härteres Vorgehen gegen die Palästinenser aus.
Der Einsatz sei für den Regierungschef jedoch einer der erfolgreicheren gewesen, kommentiert Politikexperte Avi Issacharoff auf der Nachrichtenseite "ynet". "Die (Justiz-)Reform kann weiter voranschreiten, die Proteste sind weniger interessant." Die umstrittenen Pläne spalten seit Monaten die israelische Gesellschaft, immer wieder gibt es Massendemonstrationen dagegen. Das Vorhaben der Regierung, mit dem sie gezielt das oberste Gericht des Landes schwächen will, soll in den nächsten Wochen weitere Hürden nehmen.