Mehrere Tote bei Raketenangriff auf Lwiw
Bei russischen Raketenangriffen auf ukrainische Städte sind mindestens sieben Menschen getötet und rund 50 verletzt worden. Allein im westukrainischen Lwiw (Lemberg) fernab der Front starben nach Angaben des Innenministeriums in Kiew fünf Menschen. Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, sprach vom schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur der Stadt seit Beginn des russischen Angriffskrieges. Mehr als 50 Häuser seien zerstört worden.
Mehr als 60 Bewohner wurden den Angaben zufolge aus den zerstörten Häusern evakuiert. Sieben Personen seien aus den Trümmern gerettet worden.
"Ich bin von der ersten Explosion aufgewacht, aber wir hatten keine Zeit, die Wohnung zu verlassen", berichtete die 37-jährige Bewohnerin Olja. "Es gab eine zweite Explosion, die Decke begann einzustürzen und meine Mutter wurde sofort getroffen." Sie sei zum Fenster gelaufen, habe um Hilfe geschrien und sei von Rettungskräften ins Krankenhaus gebracht worden. Bei ihrer Rückkehr habe sie erfahren, dass ihre Mutter und ihre Nachbarn gestorben seien.
Auf Video-Aufnahmen der Nachrichtenagentur AFP sind Einsatzkräfte zu sehen, die Schutt aus dem Fenster einer völlig zerstörten Wohnung werfen. Vor den Häusern in der Wohnstraße liegen Trümmer, am Straßenrand stehen zerbeulte und von Staub bedeckte Autos.
Unklar war zunächst, wie viele Raketen auf Lwiw abgefeuert wurden. Der Gouverneur Maksym Kosyzki hatte in der Nacht unter Berufung auf das Luftwaffenkommando der Ukraine gewarnt, auf die Regionen im Westen der Ukraine bewegten sich "mehrere" Raketen zu. Russland habe Lwiw mit Marschflugkörpern des Typs "Kalibr" angegriffen, die vom Schwarzen Meer aus abgeschossen worden seien, hieß es bei der ukrainischen Luftwaffe. Sieben von zehn russischen Raketen habe die Flugabwehr zerstören können.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, dass es "definitiv eine Antwort auf den Feind" geben werde. "Eine spürbare", schrieb er auf Telegram. Auf Videos sind stark beschädigte und teilweise fast ganz zerstörte Wohnhäuser eines ganzen Straßenzugs zu sehen. Selenskyj schrieb dazu: "Folgen des nächtlichen Angriffs durch russische Terroristen."Der Bürgermeister von Lwiw, Andrij Sadowyj, sprach von dem schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur von Lwiw seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als 16 Monaten. Mehr als 50 Häuser seien zerstört worden. In der Stadt wurde für zwei Tage eine Trauer ausgerufen.
In Lwiw halten sich auch viele Geflüchtete aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine auf. Bis Juni war es in der Stadt im Westen des Landes längere Zeit relativ ruhig geblieben. Dann aber wurde sie wieder Ziel von Luftangriffen. Die Ukraine hatte Anfang Juni eine Gegenoffensive begonnen.
Nach Angaben des Bürgermeisters vom Juni hat Lwiw seit Beginn der russischen Invasion rund 150.000 Menschen aus anderen Teilen des Landes aufgenommen. Die Stadt mit ursprünglich 720.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt rund 70 Kilometer östlich der Grenze zu Polen.
Gegenüber CNN hatte Selenskyj zuvor erklärt, dass er sich einen "sehr viel früheren" Beginn der Gegenoffensive in seinem Land gewünscht hätte. Er wies auch auf Engpässe bei der Ausrüstung seiner Truppen mit Artillerie hin. "In einigen Richtungen können wir nicht einmal daran denken, damit (mit der Gegenoffensive) zu beginnen, weil wir nicht über die entsprechenden Waffen verfügen", sagte er. Der Präsident des angegriffenen Landes verdeutlichte erneut, was eine Rückeroberung der 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim für die Ukraine bedeuten würde. "Wir können uns die Ukraine nicht ohne die Krim vorstellen", sagte Selenskyj. "Und solange die Krim unter russischer Besatzung ist, bedeutet es nur eins: Der Krieg ist noch nicht vorbei."
Der ukrainische Generalstab berichtete auf Facebook, die ukrainischen Streitkräfte hätten russische Angriffe auf das Dorf Bohdaniwka im Westen von Bachmut sowie im Süden und Norden der zerstörten Stadt zurückgeschlagen. Russland meldete wiederum, russische Streitkräfte hätten drei ukrainische Armee-Einheiten in der Nähe Bachmuts geschlagen. Die Meldungen konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert unterdessen die Ukraine und Russland auf, den Einsatz von Streumunition einzustellen. Zugleich verlangt sie von den USA, die ukrainische Bitte nach einer Lieferung dieser Munition abzulehnen. Sowohl bei russischen als auch bei ukrainischen Angriffen mit Streumunition seien Zivilisten getötet worden. "Die von Russland und der Ukraine eingesetzte Streumunition tötet Zivilistinnen und Zivilisten und wird dies noch viele Jahre lang tun", erklärt Mary Wareham, Direktorin für Waffenfragen bei Human Rights Watch. Sie verweist dabei auch auf Blindgänger, die oft erst später detonieren. Beide Seiten sollten die Verwendung sofort stoppen und nicht versuchen, mehr von diesen wahllos tötenden Waffen zu bekommen. Mehr als 120 Länder haben ein Abkommen zur Ächtung von Streumunition unterzeichnet. Russland, die Ukraine und die USA gehören nicht dazu.