Film im Cinematograph

„Bis ans Ende der Nacht“: Diesseits und jenseits der Gefühle

Die Welserin Thea Ehre (zweite von links) gewann bei der vergangenen Berlinale den Silbernen Bären.
© Filmgarten

Nichts ist, wie es scheint: Christoph Hochhäuslers spannender Polizeifilm „Bis ans Ende der Nacht“.

Innsbruck – Leni kommt frisch aus dem Gefängnis. Ihren neuen Freund Robert stellt sie bei einer Willkommensparty vor. Doch in Christoph Hochhäuslers „Bis ans Ende der Nacht“ ist nichts, wie es scheint. Denn Leni ist nur unter der Bedingung draußen, dass sie als Informantin im Drogenmilieu arbeitet. Und Robert ist verdeckter Ermittler. Zusammen sollen sie Kontakt zum Dealer Victor Arth herstellen, der seine Ware ohne Spuren online verkauft und den Leni von früher kennt. Die Wiederbegegnung wird bei einem Tanzkurs eingefädelt, den der Dealer mit seiner Frau Nicole besucht.

Aus diesem gemischten Doppel entspinnt sich eine ebenso düstere wie spannende Großstadt-Kriminalgeschichte. „Ich wollte einen Film machen, der hitzig ist, schmerzhaft, rau, ein Melodram mit deutscher Popmusik, langen Brennweiten und einer Schärfentiefe auf Messers Schneide“, erklärt Regisseur Christoph Hochhäusler. „Bis ans Ende der Nacht“ steht in bester Tradition klassischer 70er-Jahre-Thriller und französischer Polar-Noir-Filme. Doch das Intrigenspiel vermischt sich mit einer persönlichen Geschichte, die eine ordentliche Portion Fassbinder-Melodram in sich trägt. Auch die Musik verbreitet Retro-Charme mit markanten deutschen Schlagern, von Hildegard Knefs „Ich erkenn Dich nicht wieder“ bis zu „Rot und Schwarz“ von Karel Gott.

Bis ans Ende der Nacht

Ab 16 Jahren. In Innsbruck: Cinematograph.

Das gibt Hinweise auf die Emotionalität, die unter der kalten Oberfläche brodelt und zusehends herausbricht. „Ein Mehrfrontenkrieg der Gefühle entbrennt, in dem jede Entscheidung mindestens eine Seite gefährdet“, wie Regisseur Hochhäusler es nennt.

Die Macho-Coolness, speziell von Robert (Timocin Ziegler), ist nur ein Mantel, der eine alte Geschichte verbirgt, die die Gegenwart des Films einholt. Noch immer gilt: Nichts ist, wie es scheint. Denn Leni – das wird recht bald verraten – war früher ein Mann und mit Robert zusammen. Lenis Queerness und Transgender-Identität ist damit ein Teil der Geschichte – und eben doch nicht. Weil „Bis ans Ende der Nacht“ kein Gender-, sondern ein Genrefilm ist. Zeitlos und doch immer Kind seiner Zeit.

Leni-Darstellerin Thea Ehre kommt aus Wels. Für sie ist der Film der Durchbruch. Bei der Berlinale wurde die 23-Jährige im vergangenen Winter mit dem Silbernen Bären für eine herausragende Nebenrolle ausgezeichnet. Ehre ist trans. Die Authentizität dieser Besetzung verhindert, dass ihre Figur als Trick eines sehr klugen Drehbuchs ausgeschlachtet wird. Denn im Film ist Leni die Einzige, die sich wirklich selbst kennt und weiß, wer sie ist. Alle anderen finden es vielleicht noch heraus.