Putin: Ukrainische Gegenoffensive hat keinen Erfolg
Der russische Präsident Wladimir Putin hat die im Juni begonnene ukrainische Gegenoffensive als erfolglos bezeichnet. Alle "Versuche des Feindes", die russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, seien "während des gesamten Zeitraums der Offensive" erfolglos geblieben, sagte Putin in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview mit dem Fernsehsender Rossija-1. "Der Feind hat keinen Erfolg gehabt", ergänzte Putin.
Die Lage an der Front sei für die russischen Streitkräfte "positiv". Die russischen Truppen verhielten sich "heldenhaft", sagte Putin. "Unerwartet für den Gegner" gingen "sie in einigen Sektoren sogar in die Offensive und erobern vorteilhaftere Positionen".
Putins Angaben wurden indirekt auch von der ukrainischen Seite bestätigt. So berichtete die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar am Sonntag offen von russischen Erfolgen. "Zwei Tage in Folge hat der Feind im Sektor Kupjansk in der Region Charkiw aktiv angegriffen. Wir sind in der Defensive", erklärte sie. "Es finden heftige Kämpfe statt, und Positionen (...) verändern sich mehrfach am Tag." Zugleich sprach sie von "allmählichen" Fortschritten nahe der umkämpften Stadt Bachmut.
Putin sagte in dem Interview, dass sein Land falls nötig auch Streubomben einsetzen werde. "Wenn sie gegen uns eingesetzt werden, haben wir selbstverständlich das Recht, entsprechend zu reagieren." Menschenrechtsvertreter werfen den russischen und den ukrainischen Streitkräften vor, in dem Krieg bereits in der Vergangenheit Streubomben eingesetzt zu haben. Dagegen gibt Putin an, Russland habe sie bisher nicht eingesetzt, obgleich es eine Zeit lang auch auf russischer Seite "bekanntermaßen einen Mangel an Munition" gegeben habe.
Der russische Präsident warf den USA vor, die umstrittene Streumunition bereitzustellen, weil der Westen nicht mehr in der Lage sei, die Ukraine mit ausreichend herkömmlichen Mitteln zu versorgen. "Sie haben nichts Besseres gefunden, als den Einsatz von Streumunition vorzuschlagen", sagte Putin. Auch diese Aussage wurde von einem Vertreter der Gegenseite bestätigt. So sagte der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, am Sonntag dem US-Sender CNN, dass mit der Lieferung von Streumunition eine "Lücke" bei der Unterstützung der Ukraine geschlossen werden solle.
Die Regierung von Präsident Joe Biden habe nach ihrem Antritt festgestellt, dass die Bestände an NATO-Standardmunition in den USA "relativ gering" gewesen seien und es für eine Massenproduktion "Jahre dauern" würde, so Sullivan. Biden habe das Pentagon angewiesen, die Produktionskapazitäten zu erhöhen. "Wir brauchen eine Brücke zwischen heute und dem Tag, an dem wir das Ziel erreicht haben", sagte Sullivan mit Blick auf den Bedarf der Ukraine. An dieser Stelle schließe die Streumunition eine "Lücke". Diese sei bereits geliefert worden und in der Ukraine eingetroffen.
Mit der eingetroffenen Streumunition hofft die Ukraine, ihre Großoffensive zur Rückeroberung eigener Gebiete im Osten und im Süden forcieren zu können. Die über dem Boden explodierenden Bomben verteilen Geschoße über größere Flächen. Weil oft viele davon nicht sofort explodieren, gelten sie wie Minen als Gefahr für Zivilisten auch in der Zeit nach dem Ende von Kampfhandlungen. Mehr als 100 Staaten haben sie deswegen mit einem internationalen Abkommen geächtet. Weder die USA noch die Ukraine noch Russland haben sich dem Abkommen zur Ächtung von Streumunition angeschlossen.
Putin kündigte in dem Interview auch an, die im Krieg erbeuteten NATO-Waffen zu analysieren und für Verbesserung eigener Systeme nutzen zu wollen. Wenn es da etwas gibt, das man bei uns verwenden kann, warum denn nicht", sagte Putin zu einem möglichen Nachbau von Waffen.
Mitten in der Ferienzeit sind unterdessen auf der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim laut Behörden am Sonntag neun ukrainische Drohnenangriffe abgewehrt worden. "Heute Morgen ist der Versuch des Kiewer Regimes, einen Terrorangriff zu verüben, vereitelt worden", teilte das russische Verteidigungsministerium in Moskau mit. Es sei niemand verletzt worden. In Sewastopol hat die russische Schwarzmeerflotte, die im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt wird, ihren Hafen.
Die Flugabwehr habe zwei Drohnen abgeschossen, fünf weitere seien durch die Einheiten der radioelektronischen Aufklärung zum Absturz gebracht und zwei über dem Wasser vernichtet worden, teilte der Gouverneur der Hafenstadt Sewastopol, Michail Raswoschajew, Sonntag früh mit. Das Verteidigungsministerium sprach im letzten Fall von zwei "unbemannten Booten", die zerstört worden seien.
Die Angriffe waren diesmal nach offiziellen Angaben vergleichsweise massiv und ausdauernd. "Jetzt ist es in der Stadt ruhig", schrieb Raswoschajew im Nachrichtenkanal Telegram. Die Flugabwehr habe die Lage weiter unter Kontrolle. Auf der Krim machen im Sommer viele Russen trotz der Gefahr Urlaub. "Wir behalten die Ruhe", meinte der Gouverneur
Weder in der Stadt noch in den Buchten von Sewastopol seien "irgendwelche Objekte" beschädigt worden, teilte der Gouverneur mit. "Unsere Militärs haben souverän und ruhig die feindlichen Drohnenattacken auf Sewastopol abgewehrt." Die Schwarzmeerflotte sei gemeinsam mit den Einheiten der Flugabwehr im Einsatz gewesen. Demnach waren neben der Bucht von Sewastopol auch der Stadtteil Balaklawa betroffen und das Gebiet der altgriechischen Siedlung von Chersones, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört.
Von ukrainischer Seite gibt es immer wieder Drohnenangriffe auf die von Russland schon 2014 annektierte Halbinsel. Die Ukraine hat angekündigt, sich das Gebiet im Zuge ihrer Gegenoffensive gegen den russischen Angriffskrieg zurückzuholen. Die mit westlichen Waffen und viel Munition des Westens unterstützte Offensive zur Befreiung der Gebiete von der russischen Besatzung kommt nach Meinung von Militärexperten langsamer voran als von der Ukraine erhofft.
Der Zeitpunkt des Endes des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hängt nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom Ausmaß der internationalen Hilfe ab. "Jetzt, da die Geschwindigkeit des Kriegsendes direkt von der globalen Unterstützung für die Ukraine abhängt, tun wir alles, um sicherzustellen, dass diese Unterstützung maximal intensiv und maximal gehaltvoll ist", sagte er am Samstagabend in seiner täglichen verbreiteten Videobotschaft in Kiew. Darin bekräftigte er das Ziel einer "kompletten Befreiung des gesamten ukrainischen Gebiets".