Moskau: Schiffe im Schwarzen Meer mit Ziel Ukraine ab Donnerstag „Gegner“
Ab Donnerstag um Mitternacht (Mittwoch, 23.00 Uhr MESZ) würden Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, als „potenzielle Träger militärischer Fracht“ eingestuft, so das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch.
Odessa – Nach dem Ende des Abkommens über die Ausfuhr ukrainischen Getreides will Russland bestimmte Schiffe in den betroffenen Gebieten des Schwarzen Meeres als mögliche "Gegner" einstufen. Ab Donnerstag um Mitternacht (Mittwoch, 23.00 Uhr MESZ) würden Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, als "potenzielle Träger militärischer Fracht" eingestuft, so das Verteidigungsministerium in Moskau am Mittwoch. Kiew forderte indes "internationale UNO-Patrouillen" für die Getreideexporte.
Aus Moskau hieß es weiter, Länder, unter deren Flagge Frachtschiffe auf dem Weg in ukrainische Häfen fahren, würden künftig als Konfliktparteien gewertet. Es sei eine Warnung an die Schifffahrt herausgegeben worden im Zusammenhang mit dem Ende der Schwarzmeer-Initiative. Demnach seien Bereiche des Nordwestens und des Südostens der internationalen Gewässer des Schwarzen Meeres als gefährlich für die Schifffahrt eingestuft worden.
Getreide-Abkommen nicht mehr verlängert
Begleitet von großer internationaler Kritik hatte der Kreml das Getreide-Abkommen am Montag nach rund einjähriger Laufzeit nicht mehr verlängert. Mithilfe der Vereinbarung, die im Juli 2022 unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei zustande kam, konnten in den vergangenen Monaten trotz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine fast 33 Millionen Tonnen Getreide auf dem Seeweg ins Ausland exportiert werden. Russland begründete sein Vorgehen mit eigenen Forderungen, die angeblich nicht erfüllt worden seien.
Das Auslaufen des Abkommens wurde international beklagt. Es weckt wieder Befürchtungen vor steigenden Preisen für Getreide und Lebensmittel. Insbesondere ärmere Länder in Afrika sind auf ukrainisches Getreide angewiesen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte zuletzt, die Exporte auch ohne russische Zustimmung in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Türkei fortzusetzen.
Kremlchef Wladimir Putin schloss eine Wiederaufnahme am Mittwoch nicht aus - allerdings nur unter russischen Bedingungen. Moskau sei vom Westen ursprünglich die Erfüllung mehrerer Forderungen zugesichert worden, sagte Putin am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge bei einem Treffen mit Regierungsvertretern. "Sobald alle diese Bedingungen, auf die wir uns früher geeinigt haben, erfüllt sind (...), werden wir sofort zu diesem Abkommen zurückkehren."
Der ukrainische Präsident beklagte unterdessen, Russland habe gezielt Standorte für ukrainische Getreideexporte angegriffen. So habe Moskau in der Nacht auf Mittwoch in der Region Odessa "absichtlich die Infrastruktur des Getreideabkommens ins Visier genommen", erklärte Selenskyj, der zudem weitere Hilfe bei der Luftverteidigung forderte. "Bei jedem solchen Angriff appellieren wir immer wieder an unsere Partner: Die ukrainische Luftverteidigung muss gestärkt werden", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Mittwoch. Kiew verhandelt derweil eigenen Angaben zufolge mit anderen Schwarzmeer-Ländern über eine Militärpatrouille unter Mandat der Vereinten Nationen (UN), um die Exporte fortsetzen zu können.
Odessa mit Raketen und Drohnen angegriffen
Russland hatte die für den Getreideexport wichtige südukrainische Hafenstadt Odessa nach ukrainischen Angaben in den frühen Morgenstunden mit Raketen und Drohnen angegriffen. Nach Behördenangaben wurden Getreideterminals und Infrastruktur in den Häfen von Odessa und Tschornomorsk angegriffen. Dabei seien 60.000 Tonnen Getreide zerstört worden, erklärte der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Solsky. Es werde "mindestens ein Jahr dauern, bis die beschädigte Infrastruktur vollständig repariert ist".
Demnach war es der zweite nächtliche Angriff in Folge auf die Region seit dem Auslaufen des Getreideabkommens am Montag. Die Staatsanwaltschaft erklärte, es habe sich um den bisher größten Angriff an der Schwarzmeerküste von Odessa gehandelt. Mindestens zehn Menschen, darunter ein neunjähriger Bub, seien verletzt worden.
Das russische Verteidigungsministerium erklärte hingegen, die Angriffe hätten Militäreinrichtungen nahe des Schwarzmeer-Hafens gegolten. Russland habe "militärisch-industrielle Anlagen, Infrastruktur für Treibstoff und Munitionsdepots der ukrainischen Streitkräfte" bei Odessa angegriffen.
📽️ Video | Angriffe auf Odessa
Bei einem Angriff auf den Hafen von Tschornomorsk etwa 20 Kilometer südwestlich von Odessa sind nach ukrainischen Angaben rund 60.000 Tonnen Getreide zerstört worden. Ein beträchtlicher Teil der Infrastruktur in dem Hafen für den Getreideexport sei beschädigt worden, teilte Landwirtschaftsminister Mykola Solsky mit. Das Getreide hätte vor 60 Tagen verladen und verschifft werden sollen.
Auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim mussten indes mehr als 2000 Menschen evakuiert werden. Betroffen seien die Einwohnerinnen und Einwohner von vier angrenzenden Ortschaften, teilte der örtliche Gouverneur Sergej Aksjonow via Telegram mit. Am Mittwoch seien große Mengen Munition in die Luft geflogen - die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete unter Berufung auf einen Korrespondenten vor Ort von Explosionen. In Moskau wurde Präsident Wladimir Putin über das Ereignis informiert, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte.
Videos wurden im Internet geteilt
Tass veröffentlichte ein bei Tageslicht aufgenommenes Video, das eine Kettenexplosion von Munition zeigte. Ähnliche Videos, aber aufgenommen bei Nacht, wurden schon seit der Früh im Internet geteilt. Demnach schienen die Explosionen über Stunden anzudauern. Ein Teil der wichtigsten Straße über die Halbinsel von Simferopol nach Kertsch im Osten der Halbinsel sei gesperrt worden, teilte der russische Krim-Verwaltungschef Aksjonow mit. Der Verkehr werde örtlich umgelenkt.
Russland führt seit fast 17 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Immer wieder Ziel von russischem Beschuss sind dabei auch die südlichen Regionen am Schwarzen Meer, die für die Ukraine aufgrund ihrer Hafeninfrastruktur von großer Bedeutung sind. Über Odessa etwa wurde in den vergangenen Monaten im Rahmen des internationalen Getreideabkommens viele Millionen Tonnen Nahrungsmittel ausgefahren. Am Montag stieg Russland aus der Vereinbarung aus. (APA/dpa/Reuters/AFP)
Nach Ende des Getreideabkommens