Verhagelter Orchesterkitsch: Blur melden sich mit neuem Album zurück
Sie sind wieder da und haben Streicher im Gepäck. Blur melden sich nach acht Jahren mit Balladen zurück, bei denen ein Sturm aufzieht.
Innsbruck – Acht Jahre war kein Mucks zu vernehmen –und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Studio, klimper-klimper, glattstreichen, Foto drauf – schon ist das neue Album da. So könnte man die vergangenen sechs Monate von Blur im Schnelldurchlauf zusammenfassen. Schon die Albumankündigung ließ aufhorchen. Inzwischen kann man der neuen Musik überall lauschen. Und – das will man letztlich auch hören – in den zehn neuen Songs von „The Ballad of Darren“ erfinden sich die einstigen Britpopper wirklich nochmal neu.
Irgendwie progressiv – jedenfalls um einiges progressiver als die einstigen Konkurrenten Oasis – waren Blur doch schon immer. Das Debüt („Leisure“) Anfang der 1990er eiferte den Smiths oder The Cure nach, das legendäre „Park Life“ (1994) jagte den Britpop vor sich her, das selbstbetitelte „Blur“ (1997) ritt auf der US-Indie-Welle dahin und bescherte Blur den – darauf ein „Whooho!“ – kommerziell erfolgreichsten Hit. Zu „Song 2“ ist Blur danach nie mehr zurückgekehrt. Vielleicht eh gut so.
📽️ Video | St. Charles Square
Danach folgten größere und kleine Nachbeben – auch auf persönlicher Ebene. Nach „Think Tank“ (2003) hieß es erst einmal Ciao! Frontsänger Damon Albarn verabschiedete sich endgültig in Richtung Gorillaz. „Clint Eastwood“ hatte 2001 bereits heftig eingeschlagen. Und die virtuelle Comic-Band hatte Albarns Ursprungsband irgendwann in Sachen Bekanntheit überholt. Bei den Jüngeren sowieso: Als Coachella-Headliner gingen die Gorillaz in diesem Sommer auf Tiktok nochmals steil.
Für „The Ballad of Darren“ lassen Sänger Albarn, Leadgitarrist Graham Coxon, Bassist Alex James und Dave Rowntree am Schlagwerk (die gleiche Besetzung seit 1988) die krachigen Gitarren nun endgültig schweigen. Streicher wurden ins Studio gekarrt. Die Ballade ist bereits dem Titel eingeschrieben, sie steht auch gleich am Anfang. „The Ballad“ warnt: Achtung, es wird dramatisch! Schöne Melodien, anrührende Texte – und die Chöre! Dürfen die das? Ja, denn dass dieser Tage ein bisschen (gut gemachter) Kitsch guttut, machten die Arctic Monkeys mit ihrer neuesten LP „The Car“ so vorbildlich vor.
Aber keine Angst. So viel Filmmusik gibt es bei Blur am Ende dann doch nicht. Das kreischende „St. Charles Square“ reißt die aufwendig errichtete Schleichertanz-Atmosphäre schnell ein, „The Narcissist“ will man wieder und wieder hören, „Barbaric“ hingegen ist entgegen seinem Titel ganz lieb. Und um was geht’s? In blumigen Zeilen plärrt Albarn vom Feeling, das verloren ging, von dem das Ich aber nie geglaubt hätte, es könne abhandenkommen. Ist es Liebe? Ist es die Zuversicht? Auf dem Cover (von Martin Parr) ziehen überm Freibad Gewitterwolken auf. Der Sturm holt die HörerInnen bei „The Heights“ ein. Schon ist der Orchesterkitsch verhagelt. In Musik und Cover steckt sehr viel Gegenwart. Blur kommt mit der Ballade also gerade zur rechten Zeit.
Album
Blur: The Ballad of Darren. Warner Music.