Niger: Militär stellt sich auf Seite der Putschisten
Das Militär im Niger hat erklärt, die Forderung der Putschisten nach einem Ende der Amtszeit von Präsident Mohamed Bazoum zu unterstützen. Dies teilten die Streitkräfte des westafrikanischen Landes am Donnerstag auf Facebook und Twitter mit. Unbestätigten Berichten zufolge könnte nun der Chef der Präsidentengarde, General Omar Tchiani, die Führung eines Militärrats übernehmen.
Die Unterstützung der Putschisten solle die "körperliche Unversehrtheit des Präsidenten und seiner Familie" gewährleisten sowie eine "tödliche Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Sicherheitskräften" vermeiden, teilten die Streitkräfte mit. Das Militär warnte in der Erklärung vor jeglicher militärischer Intervention aus dem Ausland. Diese könnte verheerende Folgen für das Land haben.
Zuvor hatte der vom Militär abgesetzte Präsident Bazoum die Bevölkerung aufgerufen, die hart erkämpften Errungenschaften der Demokratie zu retten. Dafür würden die Menschen, die die Demokratie lieben, sorgen, schrieb er am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst X (früher Twitter). Dort forderte auch Außenminister Hassoumi Massoudou "alle Demokraten und Patrioten" auf, dieses "gefährliche Abenteuer" scheitern zu lassen.
Massoudou sagte am Donnerstag früh dem französischen Sender France 24, Präsident Bazoum werde derzeit noch immer im Präsidentenpalast festgehalten. Wo sich der Minister selbst aufhielt, war unklar. In der Hauptstadt war es in der Früh infolge der vom Militär verhängten Ausgangssperre ruhig.
Am Mittwoch früh hatte die Präsidentengarde, eine Eliteeinheit der Armee, den 63-jährigen Bazoum in Niamey festgesetzt und den Zugang zum Palast und mehreren Ministerien gesperrt. Das Büro des Präsidenten drohte zunächst noch, die Armee und die Nationalgarde seien bereit, die Präsidentengarde anzugreifen. Demonstranten waren am Mittwoch vor den Präsidentenpalast gezogen, um für Bazoum und die Wahrung der Demokratie zu protestieren. Berichten zufolge wurden Schüsse abgefeuert.
Die Armee des Landes hat derzeit rund 25.000 Soldaten. Der Präsidialgarde gehören unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 700 und 1.000 Gardisten an. An der Spitze der Präsidentengarde steht General Tchiani. Die Erklärung des putschenden Militärs verlas am Mittwochabend im staatlichen Fernsehen jedoch Amadou Abdramane, ein Oberst der Luftwaffe, der sich flankiert von neun Offizieren zeigte. Abdramane erklärte, der Präsident sei abgesetzt. Die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte hätten beschlossen, "dem Regime, das Sie kennen, wegen der sich verschlechternden Sicherheitslage und der schlechten Regierungsführung, ein Ende zu setzen", sagte Abdramane. Die Grenzen des Landes seien geschlossen worden. Zudem seien eine landesweite Ausgangssperre verhängt und alle Institutionen der Republik suspendiert worden.
Der Niger gehört mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern zu den ärmsten Ländern der Welt. Nach Militärputschen in Mali und Burkina Faso war der Niger das letzte der drei Nachbarländer in der Sahelzone, das von einer demokratisch gewählten Regierung geführt wurde. Bazoum hatte sein Amt erst 2021 nach demokratischen Wahlen angetreten.
International riefen die Vorgänge scharfe Verurteilungen hervor. Die UNO und die EU forderten die sofortige Freilassung von Bazoum. Auch der Vorsitzende der Afrikanischen Union, Azali Assoumani, sowie das russische Außenministerium riefen die Putschisten dazu auf.
Die demokratische Führung des Landes dürfe nicht behindert werden und die Rechtsstaatlichkeit müsse geachtet werden, sagte UNO-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag in New York. Guterres hatte am Mittwoch mit Bazoum gesprochen - dieser habe ihm gesagt, die Situation sei "sehr ernst". Guterres betonte aber, er wisse nicht, wo das Staatsoberhaupt sich aufhalte. Die Vereinten Nationen hätten bisher keinen Kontakt zu den Putschisten aufgebaut.
"Wir verurteilen alle Bestrebungen, durch den Sturz der demokratisch gewählten Regierung zu destabilisieren", schrieb das Außenministerium in Wien auf X. "Wir fordern die Putschisten auf, Präsident Bazoum sofort und ohne Bedingungen freizulassen. Die verfassungsmäßige Ordnung muss so schnell wie möglich wiederhergestellt werden."
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock telefonierte mit ihrem Amtskollegen Hassoumi Massoudou und machte dabei die "volle Unterstützung" Deutschlands für die demokratische Entwicklung in dem westafrikanischen Land deutlich. Dazu gehöre auch die umgehende Freilassung von Präsident Mohamed Bazoum, sagte die Grünen-Politikerin laut einer Mitteilung des das Auswärtigen Amts.
Die EU will unterdessen vorerst noch keine Entscheidung über ein mögliches Ende der Militärunterstützung für den Niger treffen. Die Situation nach der Meuterei sei derzeit noch nicht klar, sagte die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Borrell. Es sei noch zu früh, um Fragen zur Zukunft der Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU im Niger zu beantworten.
Bundesheersoldaten sind nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium nicht vor Ort. Österreich hatte im Frühjahr angekündigt, bis zu zehn Soldaten im Rahmen des geplanten Einsatzes mit dem Namen EUMPN entsenden zu wollen. Die auf drei Jahre ausgelegte Mission soll nach EU-Angaben unter anderem beim Aufbau eines Ausbildungszentrums und eines neuen Kommunikations- und Führungsunterstützungsbataillons helfen. Zudem gibt es seit 2012 die zivile EU-Mission EUCAP Sahel Niger.
Finanzielle Unterstützung für die Streitkräfte gab es bis zuletzt unter anderem durch die sogenannte europäische Friedensfazilität. Die Mitgliedstaaten bewilligten aus dem Finanztopf erst im Juni weitere fünf Millionen Euro. Sie ergänzten bereits im Juli 2022 und März 2023 angenommene Unterstützung in Höhe von insgesamt 65 Millionen Euro.
Für die EU ist die Lage im Niger bedeutend, weil das Land und seine Nachbarn seit Jahren von bewaffneten Terrorgruppen tyrannisiert werden. Einige dieser Gruppen haben dem sogenannten Islamischen Staat (IS) und Al-Kaida die Treue geschworen. Immer wieder kommt es zu blutigen Anschlägen mit Toten und Verletzten. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Darüber hinaus ist der Niger eines der wichtigsten Transitländer für afrikanische Migranten, die das Mittelmeer erreichen und nach Europa übersetzen wollen. Deshalb hatten die EU und Niger bereits im vergangenen Sommer vereinbart, beim Thema Menschenschmuggel enger zusammenzuarbeiten.