Wirbel um Gesetzesentwurf in rein weiblicher Form: Zadić erntet Lob und Kritik
Der Gesetzesentwurf der grünen Justizministerin umfasst nicht mehr als elf Seiten. Dennoch sorgen diese für Aufregung. Die Debatte dreht sich nicht um den Inhalt, sondern darum, dass der Text im generischen Femininum geschrieben wurde.
Wien, Innsbruck – Normalerweise sind Frauen mitgemeint. In einem am Donnerstag präsentierten Gesetzesentwurf der grünen Justizministerin Alma Zadić ist es nun umgekehrt. Im elf Seiten umfassenden Entwurf über „flexible Kapitalgesellschaften" findet das generische Femininum Anwendung. Das heißt, es geht um Gesellschafterinnen, Mitarbeiterinnen und Geschäftsführerinnen – Männer sind mitgemeint.
In den eigenen Reihen trifft der Vorschlag „zu mehr Geschlechtergerechtigkeit" auf Lob. „Ich bin der Justizministerin dankbar, dass sie hier als Vorreiterin agiert und auch in ihren Gesetzestexten einen Beitrag zu mehr Geschlechtergerechtigkeit leistet. Sprache ist ein Spiegelbild der Realität, sie formt schließlich unser Denken, unsere Wahrnehmung und unser Handeln", wird Zeliha Arslan, Frauensprecherin der Tiroler Grünen, in einer Aussendung am Freitag zitiert. Dass im Sprachgebrauch das generische Maskulinum benutzt werde, resultiere aus „patriarchalen Machtverhältnissen" und sei „künstlich geschaffen."
In der Aussendung verwiesen die Tiroler Grünen außerdem auf die eigene Vorreiterinnen-Rolle. Bereits im Jahr 2013 wurde das Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz in rein weiblicher Form geschrieben. Veranlasst von der damaligen Landesrätin Christine Baur (Grüne).
Beim Koalitionspartner ÖVP stieß Zadić mit dem Gesetzesentwurf auf wenig Verständnis. „Ich wüsste nicht, welchen Beitrag man für Geschlechtergerechtigkeit dadurch leistet, dass etwas, was man kritisiert, einfach umgedreht wird", sagte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker am Freitag im Ö1-„Morgenjournal".
Auch bei der FPÖ kam das Gesetz nicht gut an: Werde die männliche Form verwendet, seien Frauen mitgemeint, werde ausschließlich die weibliche Form verwendet, würden nur Frauen angesprochen, so FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst. Positive Reaktionen kommen währenddessen von der SPÖ und den NEOS. Für SPÖ-Frauenchefin Eva Maria Holzleitner hat das Sichtbarmachen von Frauen einen „wichtigen Zweck" und „großen Sinn". NEOS-Justizsprecher Johannes Margreiter kommentierte: „Wir haben nichts dagegen, wenn einmal in die andere Richtung gegendert wird." Und die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski mahnte gegenüber Ö1: „Fürchtet euch nicht vor inklusiver Sprache."
Nicht der erste „weibliche" Gesetzestext
Der Gesetzestext der Justizministerin ist nicht der erste, der in rein weiblicher Form verfasst wurde. Darauf wies Andreas Schäfermeier, Pressesprecher von Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), auf Twitter hin. Er verwies auf das im Dezember 2011 kundgemachte Kärntner Gemeindemitarbeiterinnengesetz. Dieses entstand unter dem damaligen Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK), Landesrat Josef Martinz (ÖVP), Landesrätin Beate Prettner (SPÖ) und Landesrat Christian Ragger (FPK).
Berührungsängste in der Bevölkerung
Im Alltag der Bevölkerung ist das Thema Gendern laut einer Umfrage indes nicht angekommen. Wie eine OGM-Umfrage für den Kurier (920 Befragte, Schwankungsbreite 3,2 Prozentpunkte) zeigte, gaben 67 Prozent an, das Gendern beim Schreiben und Sprechen zu vermeiden. 10 Prozent gendern hingegen beim Schreiben und Sprechen mehr oder weniger regelmäßig, 9 Prozent nur beim Schreiben, 3 nur beim Sprechen. „Etwa jeder Zehnte gibt an, nur in bestimmten Situationen zu gendern, wenn es beruflich notwendig erscheint", erklärte OGM-Chef und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer im Kurier.
Frauen gendern etwas häufiger als Männer, auch die Mehrheit der weiblichen Bevölkerung gendert aber nicht. Große Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der politischen Präferenz: Während 80 Prozent der Grün-Wählerinnen und -Wähler gendern, versuchen mehr als 90 Prozent der FPÖ- und drei Viertel der ÖVP-Wähler, das zu vermeiden. Insgesamt sprachen sich 79 Prozent für Entscheidungsfreiheit beim Gendern für jede und jeden aus.
Widerstand im Kanzleramt