Neue Regenfront angekündigt

Mur-Staudamm in Slowenien gebrochen, Österreicher aus dem Wasser gerettet

Viele Flüsse in Slowenien traten über die Ufer: Unter anderem die Sava im Südosten des Landes.
© JURE MAKOVEC

Nach den heftigen Unwettern in Slowenien ist ein Staudamm im Osten des Landes gebrochen. Das Hochwasser hat mehrere Todesopfer gefordert. Auch österreichische Camper waren von Überschwemmungen bedroht und mussten evakuiert werden.

Ljubljana – Auf Slowenien kommt am Sonntag noch eine Regenfront zu. Die Umweltagentur ARSO hat eine Warnung für das ganze Land herausgegeben: Am Nachmittag werden Gewitter mit starkem Wind und erheblichen Niederschlägen erwartet. Die Front soll vom Nordwesten in Richtung Osten ziehen. Neue Niederschläge dürften die Situation in den Überschwemmungsgebieten im Norden des Landes, in denen nun Erdrutsche drohen, noch verschlechtern.

In der nach wie vor abgeschnittenen Gemeinde Črna na Koroškem, die nunmehr von einem Erdrutsch bedroht ist, wurde die geplante Evakuierung von 110 Einwohner mittels Hubschraubern laut Medienberichten vorerst abgesagt. Die Rettungskräfte bleiben in der Bereitschaft, hieß es. Nach Mežica, wo die Straßenverbindungen ebenfalls unterbrochen sind, haben sich slowenische Militäreinheiten den Weg über Österreich gebahnt, berichtete das Nachrichtenportal "24ur.com". Insgesamt waren 250 slowenische Soldaten im Einsatz, weitere 500 standen in Bereitschaft, teilte die slowenische Armee mit.

Österreicher noch rechtzeitig gerettet

Eine Gruppe österreichischer Urlauberinnen und Urlauber ist indes rechtzeitig vor den Fluten in Sicherheit gebracht worden: "Das Rot-Weiß-Rote Krisenteam der Österreichischen Botschaft Laibach war am Samstag im Norden Sloweniens im Einsatz, wo die von Rekordregenmengen ausgelösten Überschwemmungen in Ljubno ob Savinji auch 23 österreichische Camperinnen und Camper bedroht hatten, darunter 17 Kinder", teilte Gabriele Juen, Sprecherin des Außenministeriums, am Sonntag mit. Großer Dank gebühre auch den slowenischen Helferinnen und Helfern – die Österreicher mussten "von der lokalen Bevölkerung teilweise aus dem Wasser gerettet werden".

In Dravograd stürzte wegen der Wassermassen eine Brücke ein.
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Die Campingurlauber wurden zunächst in der Sporthalle der Volksschule im nahen Rečica ob Savinji untergebracht, berichtete das Ministerium. Das Team der Botschaft Laibach habe dann in Abstimmung mit den slowenischen Behörden trotz Überflutungen und Straßensperren eine sichere Route gefunden, um die Evakuierung an Ort und Stelle zu unterstützen und den Gestrandeten Hilfe zu leisten. "Am Samstagabend hatten sich Wetter- und Straßenlage soweit stabilisiert, dass die Betroffenen von Einsatzteams des Kärntner Zivilschutzes mit Unterstützung der Feuerwehren Bleiburg, St. Egyden, Althofen und Wolfsberg sicher nach Hause gebracht werden konnten", hieß es.

Menschen weiter in Notunterkünften

Viele Menschen blieben in Slowenien unterdessen weiter in provisorischen Notunterkünften. Wegen der Überschwemmung am Fluss Mur nach einem Dammbruch waren am Samstagabend 500 Menschen aus dem Dorf Dolnja Bistrica im Osten des Landes evakuiert worden. Sonntagfrüh war die Lage weiterhin besorgniserregend.

Viele Menschen mussten evakuiert werden, die Lage bleibt weiter angespannt.
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Die Versuche, den Damm abzudichten, kämen nur langsam voran, da das aufgeweichte Gelände den Zugang erschwerte. "Etwa ein Drittel des Damms ist aufgestaut, aber wir befürchten, dass das Wasser an anderen Stellen durchbrechen könnte. Der Damm wird von Stunde zu Stunde schlechter, weil er mit Wasser vollgesogen ist", sagte der Einsatzleiter Miroslav Vuk laut der Internetseite der Tageszeitung Večer.

📽 Video | Hunderte harren in Notunterkünften aus

Evakuierungen an der Grenze zu Österreich

Wegen drohender Erdrutsche wurden am Samstagabend rund 900 Menschen bei Koroška Bela in der Gemeinde Jesenice in Sicherheit gebracht. Sonntagfrüh konnten sie wieder in ihre Häuser zurückkehren. Auch entlang des Flusses Meza nahe der Grenze zu Österreich wurden Bewohner evakuiert. Am Vortag hatte es bereits in vielen Orten Erdrutsche gegeben. Die Behörden kündigten außerdem an, rund 100 Menschen aus der abgeschnittenen Gemeinde Črna na Koroškem mit Hubschraubern auszufliegen.

Allein in der Nacht auf Sonntag war der Katastrophenschutz 230 Mal im Einsatz, in insgesamt 186 Orten. 137 Feuerwehreinheiten setzten Schutzmaßnahmen bei Erdrutschen und Überschwemmungen um, pumpten Wasser aus überschwemmten Gebäuden, entfernten umgestürzte Bäume, retteten Menschen aus gefährdeten Gebäuden und lieferten dringend benötigte Lebensmittel und Medikamente.

Der Hydrologe Janez Polajnar sagte im Fernsehsender RTV Slovenija, dass die Lage "nicht vorhersehbar" sei. Schon jetzt habe die Mur den zweithöchsten Stand der Geschichte erreicht, und im oberen Flusslauf bei Graz steige der Pegel weiter an.

Zahlreiche Dörfer wurden von den Wassermassen überflutet.
© APA/AFP/JURE MAKOVEC

"Wir haben den absolut notwendigen Schritt der Evakuierung unternommen, weil dies die einzige Maßnahme ist, um mögliche Opfer zu verhindern", sagte der Katastrophenschutzkommandant Srečko Šestan. "Wenn das Wasser anfängt, den Boden wegzutragen, wird der Damm sofort einstürzen, und die Flutwelle wird neun oder zehn Dörfer erfassen." Man versuche nun, per Hubschrauber den Staudamm mit Betonblöcken abzudichten, sagte er weiter.

Geschäfte dürfen am Sonntag öffnen

Angesichts der beispiellosen Hochwasserkatastrophe haben die slowenischen Behörden vorübergehend die Sonn- und Feiertagsöffnung im Einzelhandel erlaubt. Lebensmittelgeschäfte und Baumärkte dürfen öffnen, "damit die nötigen Sanierungsarbeiten schneller anlaufen und sich die Menschen mit dem Nötigsten eindecken können", sagte der Leiter des slowenischen Zivilschutzes, Srečko Šestan, am Samstag.

Die führenden Einzelhandelsketten Spar, Mercator, Tuš, Hofer und Lidl kündigten umgehend an, Filialen in den von den Überschwemmung betroffenen Orten am Sonntagvormittag offenzuhalten. Auf den im Internet veröffentlichten Listen fanden sich auch einzelne Filialen in den Großstädten Ljubljana und Maribor. Von Spar hieß es, dass einige der Filialen wegen unterbrochener Straßen nicht mit Frischwaren versorgt werden können. Man wolle sie aber trotzdem öffnen, um den Bewohnern den Erwerb lagernder Waren anbieten zu können. Hofer und Lidl appellierten vorsorglich an die Kunden, gegenseitige Rücksichtnahme zu üben und keine Hamsterkäufe zu tätigen.

Die Überschwemmungen in Slowenien forderten unterdessen ein weiteres Todesopfer. Am Samstag wurde am Ufer des Sava-Flusses in Ljubljana ein Mann tot aufgefunden, wie die Polizei laut Medienberichten mitteilte. Er soll in der Nähe gelebt haben. Die Umstände weisen darauf hin, dass er durch die Flut getötet worden sei, hieß es. Damit stieg die Zahl der Opfer, die bei den Unwettern umgekommen sind, auf vier Personen.

Kärntner Feuerwehr evakuiert Urlauber von Campingplatz

In den Überschwemmungsgebieten wurden die Evakuierungen am Samstag fortgesetzt. Eine genaue Zahl der Menschen, die in Sicherheit gebracht werden mussten, war zunächst nicht bekannt. Nach Angaben Šestans waren jedoch schon Tausende evakuiert worden.

Die Region im Osten ist besonders stark getroffen.
© APA/AFP/JURE MAKOVEC

Eine großräumige Evakuierung gab auch in der Gemeinde Jesenice, wo ein Erdrutsch ein Dorf gefährdete. Vorsichtshalber wurden die Bewohner von einem Dutzend Straßenzügen evakuiert. Eine Evakuierungsaktion gab es auch für eine Gruppe von Kärntner Urlauberfamilien, die auf einem Campingplatz im südlichen Nachbarland von den Wassermassen überrascht worden waren. Wie ORF Kärnten berichtete, wurden sie in der Nacht auf Sonntag von Kärntner Feuerwehrleuten über den Grenzübergang Grablach in die Heimat gebracht.

In Slowenien waren die Rettungskräfte damit beschäftigt, die Bewohner in den abgeschnittenen Gebieten mit Wasser und dringendsten Hilfsgütern zu versorgen. Allein in einem Dorf im Oberen Savinja-Tal seien am Freitagabend rund 1000 Menschen, größtenteils Touristinnen und Touristen, mit Essen und Unterkunft versorgt worden, sagte Šestan bei einer Pressekonferenz in Ljubljana.

Zwei Männer beobachten die Hochwasser führende Sava in Slowenien.
© DENIS LOVROVIC

Slowenien bittet EU um Unterstützung

Der slowenische Regierungschef Robert Golob sprach von der "größten Naturkatastrophe" in der jüngeren Geschichte des Landes. "Der Schaden ist unvorstellbar, praktisch zwei Drittel des Landes sind betroffen", sagte er. Nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates bezifferte er den Schaden an Infrastruktur und Gebäuden auf mehr als 500 Millionen Euro. Bei einer anschließenden Regierungssitzung wurde beschlossen, um Gelder aus dem EU-Katastrophenhilfsfonds anzusuchen. Dafür muss der Schaden mehr als 0,6 Prozent der jährlichen Wirtschaftskraft des Landes ausmachen, was im Fall Sloweniens 310 Millionen Euro sind.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sicherte Slowenien bereits Hilfe zu. Die Schäden in dem Land seien "herzzereißend", twitterte sie. Der aus Slowenien stammende EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič, beriet am Samstag mit der Regierung in Ljubljana.

Lage in überschwemmten Gebieten angespannt

Die Ausrufung eines Ausnahmezustands ist laut Golob vorerst nicht notwendig, da das Katastrophenschutzsystem einwandfrei funktioniere. Darüber hinaus bekam Slowenien von der internationalen Gemeinschaft und Nachbarländern, darunter Österreich, Hilfe angeboten. "Es ist richtig, dass wir jene Hilfe, die wir brauchen können, annehmen, damit wir Slowenien so schnell wie möglich wieder auf die Beine stellen", sagte der Premier.

Die Einsatzkräfte arbeiten auf Hochtouren.
© IMAGO/HANZA MEDIA

Golob kündigte an, dass die abgeschnittenen Überschwemmungsgebiete aus der Luft versorgt werden. Unterdessen berichteten die Medien, dass die seit zwei Tagen isolierte Gemeinde Črna na Koroškem mittlerweile von einem Militärhubschrauber mit 30 Soldaten am Bord erreicht werden konnte. Aus der Gemeinde, die keine intakte Straßenverbindung hat, gab es vorerst keine Berichte über Verletzte, Behörden kündigten dennoch an, mehrere Personen auszufliegen. Die Bewohnerinnen und Bewohner würden mit Wasser und dem Nötigsten versorgt, hieß es.

Die Lage in den Überschwemmungsgebieten blieb vielerorts nach wie vor angespannt. Zahlreiche Orte im Norden des Landes waren wegen der zerstörten Straßen und Brücken noch immer schwer zugänglich, einige weiterhin abgeschnitten.

Die Sora im Zentrum Sloweniens.
© JURE MAKOVEC

Die Autobahn A1 zwischen Ljubljana und Celje war am Samstagnachmittag indes wieder offen. Die wichtige Transitroute durch Slowenien in Richtung Graz bzw. Wien war seit Freitagvormittag unterbrochen gewesen. Viele lokale Straßen waren noch überschwemmt.

Mindestens fünf Niederländer gelten vorerst als vermisst. Das teilte das Außenministerium am Samstag dem Radiosender NOS mit, berichtete die Deutsche Nachrichtenagentur dpa. Zuvor war bekannt geworden, dass zwei Niederländer ums Leben gekommen sind. Weitere Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt. 400 Niederländer mussten nach schweren Überschwemmungen einen Campingplatz verlassen. Am Freitag waren zwei niederländische Männer im Alter von 50 und 20 Jahren ums Leben gekommen. Sie stammten aus Gouda und waren nach Medienberichten auf einer Bergwanderung beim Berg Veliki Draški vrh. (APA/dpa)

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