"Gefahr von Intervention"

Luftraum im Niger geschlossen: ECOWAS berät am Donnerstag über weiteres Vorgehen

Demonstration gegen die ECOWAS-Sanktionen.
© APA/AFP/STANISLAS POYET

Um Mitternacht war ein Ultimatum an die Putschisten ausgelaufen, um den am 26. Juli gestürzten nigrischen Staatschef Mohamed Bazoum in sein Amt zurückkehren zu lassen. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hat angekündigt, am Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten.

Niamey – Nach Ablauf eines Ultimatums an die Putschisten im Niger will die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS am Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten sollen in Nigerias Hauptstadt Abuja zusammenkommen, wie ECOWAS-Sprecher Amos Lungu am Montag bestätigte. Die Putschisten im Niger schlossen unterdessen wegen der "Gefahr einer Intervention" den Luftraum.

Die Gruppe hatte den neuen Machthabern am Sonntag vor einer Woche ein siebentägiges Ultimatum gestellt und die neue Junta aufgefordert, den gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einzusetzen. Andernfalls werde ECOWAS Maßnahmen ergreifen, die auch Gewalt beinhalten könnten, hieß es.

Die ECOWAS-Militärchefs haben bei einem dreitägigen Treffen bereits einen Plan für eine mögliche militärische Intervention als Antwort auf den Putsch im Niger entworfen. Die Staats- und Regierungschefs wollen anhand der Empfehlung über ihr Vorgehen entscheiden.

Die ECOWAS hat formell 15 Mitgliedsstaaten, Vorsitzender ist derzeit Nigerias Präsident Bola Tinubu. Die Militärregierungen der nach Putschen suspendierten ECOWAS-Mitglieder Mali und Burkina Faso haben sich auf die Seite der neuen Machthaber im Niger gestellt und gedroht, ein Eingreifen als "Kriegserklärung" aufzufassen.

Italien hatte zuvor von der ECOWAS eine Verlängerung der Frist gefordert. "Der einzige Weg ist der diplomatische", sagte der italienische Außenminister Antonio Tajani der Zeitung "La Stampa". "Ich hoffe, dass das Ultimatum der ECOWAS, das vergangene Nacht um Mitternacht abgelaufen ist, heute verlängert wird."

Die nigrische Militärjunta verwies am Sonntagabend auf angebliche "Vorbereitungen" in Nachbarländern für ein militärisches Eingreifen in dem Land. Die Schließung des Luftraums gelte für alle Flugzeuge, erklärte der seit dem Putsch regierende sogenannte Nationale Rat für den Schutz des Vaterlandes (CNSP). Jeder Versuch, den Luftraum zu verletzen, werde eine "energische und sofortige Gegenreaktion" nach sich ziehen.

Die Schließung des Luftraums über dem Niger führte zu Streichungen und Umleitungen von Flügen. Air France teilte am Montag mit, Flüge von und nach Ouagadougou und Bamako, den Hauptstädten der westlichen Nachbarstaaten Burkina Faso und Mali, seien bis 11. August ausgesetzt. Bei Verbindungen zu anderen Flughäfen in der Region verlängerten sich die Flugzeiten. Auch die Lufthansa und ihre Tochter Brussels Airlines fliegen Umwege um den nigrischen Luftraum, sodass Flüge nach Afrika bis zu dreieinhalb Stunden länger dauerten oder Tankstopps erforderlich seien, erklärten die Airlines.

Fluggesellschaften machen aus Sicherheitsgründen bereits einen Bogen um den Luftraum über Libyen und dem Sudan. Dass Niger nun hinzukomme, erschwere den Flugverkehr zwischen Europa und dem südlichen Afrika dramatisch, erklärte das Flugbeobachtungsportal Flightradar 24.

Zunächst blieb unklar, wann die Staatengruppe über ihr weiteres Vorgehen und einen möglichen Militäreinsatz entscheiden wollte. Ein solches Vorgehen ist in der Region umstritten. Zudem wäre ein solcher Einsatz der Gruppe im Niger, dessen Staatsgebiet größer ist als jenes von Frankreich und Spanien zusammen, wohl eine große Herausforderung. Die Junta teilte ihrerseits am Wochenende mit, wichtige Positionen bei den Streitkräften mit eigenen Gefolgsleuten neu besetzt zu haben.

Zudem schien die Unterstützung für die Putschisten innerhalb der Bevölkerung zu wachsen. Berichten des französischen Senders RFI zufolge versammelten sich am Sonntag rund 30.000 Menschen im General-Seyni-Kountché-Stadion in der Hauptstadt Niamey, um gegen die ECOWAS-Sanktionen zu protestieren. Bereits in der Nacht auf Sonntag schlossen sich Jugendliche zu Bürgerwehren zusammen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Stabilität der Sahel-Zone in Gefahr

Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum für entmachtet erklärt. Der Kommandant der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.

Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune warnte am Wochenende nach Angaben der Zeitung El-Bilad und der Nachrichtenseite Ennahar, ein militärisches Eingreifen im Niger könnte die gesamte Sahel-Zone destabilisieren. Eine Teilnahme Algeriens an einer militärischen Intervention schloss Tebboune demnach strikt aus.

Trotz der Zuspitzung der Lage steht nach Aussage der französischen Außenministerin Catherine Colonna ein Abzug der französischen Soldaten aus dem Niger nicht auf der Tagesordnung. Sie warnte die Machthaber im Niger, die Drohung der ECOWAS ernstzunehmen. Die neue Junta hatte zuvor die militärische Zusammenarbeit mit der einstigen Kolonialmacht am Donnerstag aufgekündigt. Noch immer hat Frankreich dort rund 1.500 Soldaten stationiert. Die USA sind mit rund 1.000 Soldaten präsent, die deutsche Bundeswehr mit rund 100. Der Niger war einer der letzten westlichen Verbündeten in der von islamistischen Terrorgruppen destabilisierten Sahel-Zone.

Unbegründet ist Colonnas Warnung vor dem Handeln der ECOWAS nicht. Die Gruppe hat bereits in der Vergangenheit mehrfach militärische Eingreiftruppen aufgestellt. Zuletzt griff die Gruppe 2017 in Gambia ein. Militärische ECOWAS-Operationen erfolgten bisher jedoch immer auf Einladung der betroffenen Regierung.

Die Militärregierungen in Mali und Burkina Faso hatten sich hingegen schnell auf die Seite der neuen Machthaber im Niger gestellt. Die Mitgliedschaft der beiden Länder in der ECOWAS ist ausgesetzt. Das französische Außenministerium kündigte am Sonntag an, bis auf Weiteres alle Entwicklungshilfe- und Budgethilfemaßnahmen für Burkina Faso auszusetzen. (APA/dpa)

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