Zugeständnisse von Netanjahu

Zwischenfälle in Öffis: Ultrareligiöse in Israel drängen Frauen zurück

Strandabschnitt nur für Männer nahe der israelischen Stadt Ashdod. Ultraorthodoxe bestehen auf Geschlechtertrennung.
© AFP/Kahana

In israelischen Öffis kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Premier Netanjahu machte den Ultraorthodoxen Zugeständnisse.

Tel Aviv – Am Dienstag passierte es wieder: Die israelische Journalistin Neria Kraus soll auf einem Flug bedrängt worden sein, ihren Sitzplatz zu wechseln, damit ultraorthodoxe Männer nicht neben einer Frau sitzen müssen. Als sie sich weigerte, sei sie vom Kabinenpersonal für mögliche Verspätungen verantwortlich gemacht worden, berichtet Haaretz. Kraus selbst schrieb auf X (vormals Twitter): „Was für ein demütigendes Ereignis für mich als Frau.“

In diesem Fall behaupten Ultraorthodoxe, es hätten nur Bekannte nebeneinander sitzen wollen. Aber derartige Zwischenfälle häufen sich. In Tel Aviv wurde eine Frau von Pro-Regierungs-Demonstranten daran gehindert, einen Linienbus zu besteigen, weil dieser nur für Männer sei. Der Vorfall schaffte es sogar in die New York Times. In der ultraorthodox geprägten Stadt Bnei Brak stoppten Männer einen Bus, weil eine Frau am Steuer saß. Öffis sind zum Austragungsort eines Kulturkampfs geworden, der in Israel seit Jahren tobt und sich zuletzt zugespitzt hat.

Ultraorthodoxe bestehen auf traditionelle Geschlechterrollen und auf die Trennung von Männern und Frauen im öffentlichen Raum. Sie stellen zwar aktuell nur etwa 13 Prozent der Bevölkerung. Aber dank ihres Kinderreichtums sind sie die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Und durch die Beteiligung von zwei ultraorthodoxen sowie von rechts-religiösen Parteien an der Regierung haben sie derzeit politisch Oberwasser.

Die Berichte über Frauen-Diskriminierung in Öffis riefen sogar Premier Benjamin Netanjahu auf den Plan. Israel sei ein freies Land, in dem niemand anderen vorschreibe, „wo er oder sie sitzen soll“, hieß es am Montag in einem Statement. Kritiker machen aber den Premier selbst mitverantwortlich für die Verschlechterung der Lage von Frauen. Denn Netanjahu ist auf die Unterstützung der Ultrareligiösen angewiesen und hat ihnen Zugeständnisse gemacht, die am Willen der meisten Israelis vorbeigehen.

So soll die Geschlechtertrennung bei Veranstaltungen ausgeweitet werden. Unis und Firmen bieten das auch an, um die wachsende Nachfrage von ultrareligiösen Männern zu befriedigen. Firmen soll es erlaubt werden, Dienstleistungen aus religiösen Gründen zu verweigern – was häufig Frauen treffen dürfte. Für Empörung sorgt auch der Plan der Regierung, die rein männlichen Rabbinergerichte aufzuwerten. Diese regeln etwa Scheidungen.

Seit Monaten demonstrieren Regierungsgegner nicht allein gegen die Justizreform, sondern auch für Frauenrechte. Die beiden Anliegen sind verknüpft, weil gerade das Höchstgericht, das die Regierung schwächen will, sich immer wieder für Gleichbehandlung starkgemacht hat.

Viele Ultraorthodoxe lassen sich davon ohnehin nicht beeindrucken. Beispielsweise ignorieren die ultraorthodoxen Regierungsparteien ein Urteil des Höchstgerichts, das ihnen vorschreibt, auch Frauen auf den Wahllisten zu führen.

Und auch die Auseinandersetzungen im Alltag werden weitergehen. Am Sonntag berichtete die Holocaust-Überlebende Tzefi Erez im israelischen Fernsehen, dass ein Busfahrer sie ignoriert habe, als sie fragte, ob sie im richtigen Bus sitzt. Auf Rückfrage ihres Mannes habe er dann erklärt, dass er nicht mit Frauen spreche. „Ich bin zutiefst verletzt“, sagte die 88-Jährige. „Ich bin in den Staat Israel gekommen und plötzlich fühle ich, dass ich im Iran bin. Morgen werden sie mir sagen, ich soll mein Gesicht bedecken.“