Das Piano reitet auf der Retrowelle: Songwriterin Birdy mit neuem Album
Balladen werden von treibenden Beats abgelöst: Die britische Sängerin Birdy probiert sich auf „Portraits“ aus.
Innsbruck – Dass der Sound der 1980er neben all den stilistischen Verweisen auf die Nullerjahre heute wieder ordentlich zeitgemäß klingt, zeigte vor gut einem Jahr der (Wieder-)Einzug von Kate Bush in die Charts. Es waren eben nicht die „alten Fans“, sondern eine neue Generation, die „Running Up That Hill (Deal With God)“ für sich entdeckte, nachdem die Netflix-Serie „Stranger Things“ die New-Wave-Hymne von 1985 mit ihren hallenden Vocals und dem dröhnenden Synthesizer zum Soundtrack eines Schlüsselmoments dieser Staffel gemacht hatte. Hallende Stimmen, dröhnende Synthesizer – was hat das eigentlich mit der britischen Singer/Songwriterin Birdy zu tun? Lange Zeit nichts. Bis ihr neues Album „Portraits“ vor Kurzem erschien. Darauf 40 Minuten, die beweisen, dass Birdys Weltschmerz mit Pianobegleitung jetzt auch auf der Retrowelle reitet. Zumindest ein bisschen.
Bekannt geworden war die heute 27-Jährige, die eigentlich Jasmine Lucilla Elizabeth Jennifer van den Bogaerde heißt, im zarten Alter von 15 mit ihrer Interpretation der Bon-Iver-Ballade „Skinny Love“. Beim Piano blieb sie, Ausreißer wie „Keeping Your Head Up“ bestätigen die Regel – und zwar bis heute, daran kann auch das neue Album nichts ändern. Der darauf befindliche Song „Your Arms“ ist ein zartes und genau deswegen so ergreifendes Aufbäumen gegen die verblassende Erinnerung an einen geliebten Menschen. „Ich erinnere mich an dich auf meine Art/das ist nicht perfekt oder fair“, singt Birdy darin auf Englisch.
Dann gibt es aber noch diese andere Seite, schon im energetischen Opener „Paradise Calling“ schreit dank treibendem Beat und elektronisch geknüpftem Klangteppich alles nach den Achtzigern – zackige Streichersätze übernehmen in „Raincatcher“ und ungewohnt düster (kommt da auch ein bisschen PJ Harvey als Inspiration durch?) wird es in „Ruins I“.
Alles in allem will sich Birdy in „Portraits“ ausprobieren. Dass sie mehr als die klassische Pianoballade kann, beweist sie mit ihrem fünften Album lautstark.
Pop Birdy: Portraits. Atlantic Records.