Mehr als 1300 Tote bei Erdbeben in Marokko, Staatstrauer ausgerufen
Erdbeben sind in Nordafrika relativ selten. Doch nun sucht eine der schwersten Erschütterungen seit Jahrzehnten Marokko heim. Über tausend Menschen sind schon ums Leben gekommen. Die furchtbaren Bilder rufen Erinnerungen an das Beben vom Februar in der Türkei und Syrien wach.
Rabat – Nach dem schweren Erdbeben in Marokko steigt die Opferzahl weiter stark an. Mindestens 1305 Menschen seien ums Leben gekommen, teilte das Innenministerium am Samstagabend mit. Bisher war von 1037 Toten die Rede. Mindestens 1832 weitere Personen sind den Angaben nach verletzt worden. In Gebieten vom Atlasgebirge bis zur Altstadt von Marrakesch wurden Gebäude zerstört und Kulturdenkmäler beschädigt. Marokko rief eine dreitägige Staatstrauer aus.
Wie der Königpalast am Samstag mitteilte, sollen während der Staatstrauer die Fahnen an öffentlichen Gebäuden auf halbmast gesetzt werden. Laut der Erklärung, die von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP verbreitet wurde, hatte König Mohammed VI. zuvor eine Krisensitzung geleitet.
Der Regionalleiter des marokkanischen Kulturministeriums, Hassan Hernan, bestätigte am Samstag, dass die Gebäude der Medina von Marrakesch teilweise beschädigt worden seien. Einige der historischen Gebäude wiesen Risse auf. „Das Bild wird erst in 48 Stunden vollständig sein, aber sicher ist, dass der Schaden an wichtigen historischen Stätten in der Altstadt bisher gering ist“, sagte Hernan. Die historische Altstadt von Marrakesch, die auch Medina genannt wird, ist normalerweise ein beliebtes Ziel von Touristen und gilt als Unesco-Weltkulturerbe.
Österreicherinnen und Österreicher seien nach bisherigem Wissensstand nicht verletzt worden, teilte das Außenministerium am Samstagvormittag auf APA-Anfrage mit. Aktuell seien rund 60 Personen reiseregistriert, hieß es. Laut Ministerium befinden sich aktuell rund 215 Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher in Marokko. "Sie wurden noch in der Nacht per SMS und Email kontaktiert und werden aktuell von der Botschaft durchgerufen", sagte eine Sprecherin. In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei. Der Flughafen in Marrakesch funktioniere derzeit normal und es gebe genügend Flüge, um zurück nach Österreich zu kommen, teilte das Außenministerium mit.
Das österreichische Rote Kreuz rief am Samstag zu Spenden für die Erdbebenregion auf. "Verletzte und Menschen, die alles verloren haben, brauchen jetzt rasch Hilfe", appellierte Präsident Gerald Schöpfer. Der marokkanische Rote Halbmond unterstütze bereits mit Erster Hilfe, Psychosozialer Betreuung und mit Evakuierungs- und Transportmaßnahmen, hieß es in einer Aussendung.
Ärzte ohne Grenzen betonte am Samstag in einer Mitteilung, man sei bereits in Absprache mit den lokalen Behörden, um erste Teams in die Region zu senden. Spendenaufrufe kamen ebenfalls von den beiden NGOS Care-Österreich sowie "Jugend Eine Welt". "Die humanitäre Situation verschlechtert sich zunehmend. Die Familien benötigen nun am dringendsten Wasser, Nahrung, Hygieneartikel, Gesundheitsversorgung und eine sichere Unterkunft", sagte Care-Geschäftsführerin Andrea Barschdorf-Hager.
Das Beben ereignete sich Freitagnacht um 23.11 Uhr Ortszeit und dauerte mehrere Sekunden. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS hatte es eine Stärke von 6,8, laut dem Helmholtz-Zentrum Potsdam 6,9. Das Epizentrum lag gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch im Atlasgebirge. Dem USGS zufolge ereignete sich das Beben in einer Tiefe von 18,5 Kilometern. Erdbeben in einer solch geringen Tiefe sind laut Experten besonders gefährlich.
📽️ Video | Erdbeben reißt Menschen in Marokko aus dem Schlaf
Panik in Städten
Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken waren in der Nacht zum Samstag und am frühen Morgen zerstörte Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein UNESCO-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigten schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen. Aus vielen Provinzen wurden Tote gemeldet. Kurz danach kam es zu einem Nachbeben der Stärke 4,9. Aus Angst vor weiteren Beben blieben viele im Freien. Verängstigte Bewohner standen in Straßen oder kauerten auf Gehwegen.
Dem Innenministerium von Marokko zufolge gibt es die meisten Schäden außerhalb der Städte. Betroffene Gebiete konnten am Samstag jedoch teils noch nicht erreicht werden. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei.
Marokkaner posteten Videos, auf denen zu Schutt zerfallene Gebäude und beschädigte Teile der berühmten roten Mauern zu sehen sind, die die Altstadt von Marrakesch umgeben, ein Unesco-Weltkulturerbe. Andere Videos zeigen schreiende Menschen, die Restaurants in der Stadt verließen.
Das schwere Erdbeben hat auch im Süden Spaniens und Portugals Menschen aus dem Schlaf gerissen. Bei der Notrufzentrale im spanischen Andalusien gingen kurz nach Mitternacht mehr als 20 Anrufe besorgter Bürger aus den Regionen um Huelva, Sevilla, Jaén, Málaga, Marbella und Córdoba ein, wie die Organisation auf der früher als Twitter bekannten Plattform X schrieb. Über Schäden oder gar Opfer sei jedoch nichts bekannt geworden. Auch die Behörden im südportugiesischen Faro, im Raum Lissabon und Setúbal hätten ähnlich berichtet, schrieb die staatliche portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa.
ÖsterreicherInnen werden von Botschaft kontaktiert
Ein Mitarbeiter der österreichischen Botschaft in Rabat sei bereits auf dem Weg in das besonders betroffene Krisengebiet Marrakesch, hieß vom österreichischen Außenministerium. Die Auslandsösterreicherinnen und -österreicher „wurden noch in der Nacht per SMS und Email kontaktiert und werden aktuell von der Botschaft durchgerufen“, sagte eine Sprecherin. In diesem Zusammenhang verwies das Ministerium auch auf den Bereitschaftsdienst (+43 90115 4411), der rund um die Uhr erreichbar sei.
Ob Österreich eine Hilfsmission schickt, sei derzeit noch offen. Die Bundesregierung sei „selbstverständlich bereit, Marokko bestmöglich zu unterstützen“, wurde mitgeteilt. Hilfsersuchen sei jedoch noch keines eingelangt. Man sei diesbezüglich in Abstimmung mit den Partnernationen in der EU.
Das Ministerium drückte in diesem Zusammenhang auch seine Betroffenheit über das Beben aus. „In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Betroffenen, ihren Familien und den Rettungskräften.“ Zudem wurde mitgeteilt, dass Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) seine von Sonntag bis Dienstag geplante Reise nach Marokko verschieben werde.
📽️ Video | ORF-Bericht aus dem Erdbebengebiet
Nasser Jabour, Leiter einer Abteilung des Nationalen Instituts für Geophysik, bestätigte, dass die Nachbeben weniger stark seien. Das Beben sei in einem Umkreis von 400 Kilometern zu spüren gewesen, sagte er der marokkanischen Nachrichtenagentur MAP. Es sei das erste Mal seit einem Jahrhundert, dass ein derart starkes Erdbeben in Marokko registriert worden sei.
Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen.
Österreich bietet Hilfe an
Die Europäische Union hat indes Marokko Hilfe angeboten. „Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen“, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstagmorgen via Twitter (X). Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte ebenso ihr Mitgefühl. Sie sei angesichts des schrecklichen Erdbebens mit ganzem Herzen beim marokkanischen Volk, teilte die deutsche Spitzenpolitikerin mit.
Bundeskanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner sowie Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (alle ÖVP) drückten am Samstag in einem gemeinsamen Statement ihre Betroffenheit über das Beben aus. „Katastrophen, wie diese, erfordern internationale Solidarität und Unterstützung. Österreich wird jederzeit helfen, wo in den Katastrophengebieten Marokkos Hilfe benötigt wird“, wurde Nehammer zitiert. „Innen- und Verteidigungsministerium treffen derzeit alle Vorkehrungen, um zu unterstützen, sobald eine entsprechende Anforderung kommt“, sagte Nehammer. Das Katastrophenhilfeelement des Bundesheers, die Austrian Forces Disaster Relief Unit (AFDRU), stehe jederzeit bereit betonte Tanner. Zuletzt stand ein AFDRU-Kontingent des Bundesheeres nach dem verheerenden Beben im Süden der Türkei Anfang Februar im Einsatz.
Die Nachbarländer Spanien und Portugal haben Marokko schnelle Hilfe angeboten. „Spanien hat Marokko seine Rettungskräfte und Hilfe beim Wiederaufbau angeboten“, sagte Außenminister José Manuel Albares am Samstag am Rande des G20-Gipfels in der indischen Hauptstadt Neu Delhi.
Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez, der wegen einer Corona-Infektion nicht an dem Gipfel teilnehmen konnte, sicherte Marokko die Solidarität seines Landes zu. „Spanien ist bei den Opfern und ihren Angehörigen dieser Tragödie“, schrieb der Sozialist auf der bisher als Twitter bekannten Plattform X.
Auch Portugals Regierungschef António Costa zeigte sich bestürzt. „Das Erdbeben in Marokko macht uns zutiefst traurig und ich spreche seiner Majestät dem König, den Opferfamilien und dem gesamten marokkanischen Volk, unserem Nachbarn, unser Beileid aus“, schrieb er auf X. Portugals Außenministerin Teresa Gouveia bot in einer Botschaft Hilfe ihres Landes „im Rahmen des Katastrophenschutzes“ an, wie die Zeitung Público unter Berufung auf das Außenministerium in Lissabon berichtete.
Italiens Premierministerin Giorgia Meloni habe „ihre Verbundenheit und Solidarität mit Marokkos Premierminister Aziz Akhannouch, den Familien der Opfer und dem marokkanischen Volk zum Ausdruck gebracht und die volle Bereitschaft Italiens bekundet, Marokko in dieser Notlage zu unterstützen“, hieß es in einer Presseaussendung. Italien ist in den vergangenen Jahren immer wieder von schweren Erdbeben heimgesucht worden.
Bestürzung bei Staats- und Regierungschefs
UN-Generalsekretär António Guterres hat sich bestürzt geäußert. Der Generalsekretär sei „tief traurig“, teilte ein Sprecher am Samstag mit. Er spreche der Regierung und dem Volk Marokkos seine Solidarität in diesen schweren Zeiten und den Familien der Opfer sein Beileid aus. Den Verletzten wünsche Guterres eine rasche Genesung. Die Vereinten Nationen stünden bereit, die Regierung Marokkos in ihren Bemühungen zu unterstützen, der betroffenen Bevölkerung zu helfen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sein Mitgefühl ausgedrückt. „Wir stehen unseren marokkanischen Geschwistern an diesem schweren Tag mit allen Mitteln zur Seite“, schrieb Erdogan am Samstag auf Twitter. Er drückte sein Bedauern angesichts der vielen Toten aus und wünschte den Verletzten schnelle Genesung.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf X: „Wir trauern gemeinsam mit den Menschen in Marokko um die Opfer des furchtbaren Erdbebens. Unsere Gedanken sind bei ihnen und all denen, die in diesen Stunden nach Verschütteten suchen und um das Leben der vielen Verletzten kämpfen.“
Israel will Marokko nach dem schweren Erdbeben humanitäre Hilfe leisten und Suchtrupps schicken. Alle Ministerien seien angewiesen worden, die Entsendung einer Hilfsdelegation vorzubereiten, meldeten israelische Medien unter Berufung auf das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Samstag. Demnach wies zudem Verteidigungsminister Joav Galant die Armee an, die Entsendung von Such- und Rettungseinheiten vorzubereiten.
Auch der britische Außenminister dem nordafrikanischen Land Unterstützung angeboten. „Erschütternde Nachrichten von einem erheblichen Erdbeben nahe Marrakesch, Marokko“, schrieb James Cleverly am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter). Großbritannien werde weiterhin seine Staatsbürger in der Region unterstützen, so Cleverly. Der konservative Politiker fügte hinzu: „Wir stehen bereit, unseren marokkanischen Freunden auf jede mögliche Weise zu helfen“.
US-Präsident Joe Biden hat sich „tieftraurig“ über den Verlust von Menschenleben und die Zerstörungen durch das Erdbeben in Marokko geäußert. „Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von diesem schrecklichen Elend betroffen sind“, heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses vom Samstag. Seine Regierung sei in Kontakt zu den marokkanischen Behörden. „Die Vereinigten Staaten stehen an der der Seite Marokkos und meines Freundes König Mohammed VI. in diesem schwierigen Augenblick“, schrieb Biden.
Erdbeben treten in Nordafrika nur relativ selten auf. 1960 hatte sich nach Angaben des Senders Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben gekommen waren. 2004 erschütterte ein Beben der Stärke 6,4 Marokko. Mehr als 600 Menschen kamen damals ums Leben. (APA, dpa, AFP, TT.com)