Drohgebärden aus Italien

Mattle und Gewessler reagieren gelassen auf Salvinis Transit-Klagedrohung

Symbolbild.
© Böhm Thomas

Italien denkt wegen des Konflikts mit Österreich über den Brenner-Transitverkehr den Gang zu EU-Gerichtshof an, erklärte der italienische Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) am Mittwoch. „Wenn die EU-Kommission nicht handelt, werden wir es laut Artikel 259 tun". Dies könnte laut Salvini bereits im Herbst geschehen. Wenig beeindruckt von der Drohung zeigen sich Tirols Landeshauptmann Mattle und Verkehrsministerin Gewessler.

Innsbruck, Rom – Italien denkt wegen des Konflikts mit Österreich über den Brenner-Transitverkehr in Tirol an den Gang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) und erarbeitet dafür ein Dossier. Dies müsse „vom juristischen Standpunkt solide sein und wir arbeiten daran. Wenn die EU-Kommission nicht handelt, werden wir es laut Artikel 259 tun", erklärte Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) im Gespräch mit ausländischen Journalisten am Mittwoch in Rom. Dies könnte bereits im Herbst geschehen.

„Die österreichische Regierung bricht jede Regel und sie hilft der Umwelt nicht. Wir können nicht akzeptieren, dass Österreich einseitig einen Alpenpass schließt, ohne dass jemand etwas unternimmt. Das ist eine Verletzung der EU-Regeln, ein offenkundiger Missbrauch, der gelöst werden muss", sagte Salvini.

Wir können nicht akzeptieren, dass Österreich einseitig einen Alpenpass schließt, ohne dass jemand etwas unternimmt. Das ist eine Verletzung der EU-Regeln, ein offenkundiger Missbrauch, der gelöst werden muss.
Matteo Salvini, Verkehrsminister

Mattle steht hinter Anti-Transitmaßnahmen

Relativ unbeeindruckt reagiert Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) auf die Klage Italiens: „Mittlerweile verhallen diese Klagsdrohungen in Tirol, weil für uns der Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der Infrastruktur schwerer wiegen, als die fossile Verkehrspolitik in Italien“, so Mattle.

Die Lösungen für das Transitproblem seien nicht weniger, sondern neue Maßnahmen, so Mattle und verweist auf das von Tirol, Bayern, Südtirol und dem Trentino vorangetriebene intelligente Verkehrsmanagementsystem. „Tirol hat sich mit mir als Landeshauptmann immer konstruktiv in die Gespräche mit unseren Nachbarn eingebracht. Auch Salvini sollte sich im Sinne der Menschen entlang des Brennerkorridors mehr auf die Reduktion des Verkehrs konzentrieren, anstatt immer mehr LKW-Fahrten zu fordern.“

Tirol werde seine Anti-Transitmaßnahmen vor jeder Institution dieser Welt begründen, verteidigen und erklären, erklärt Mattle. „Die Zeit spielt für uns, denn die Verkehrswende im Sinne des Klimaschutzes wird auch Salvini nicht verhindern können“.

Die Zeit spielt für uns, denn die Verkehrswende im Sinne des Klimaschutzes wird auch Salvini nicht verhindern können.
Anton Mattle, Landeshauptmann Tirol

Gewessler sieht Luftschutz „notwendige Verpflichtung“

Auf Bundesebene hat sich Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur Salvini-Klage gemeldet. „Die Tiroler Notmaßnahmen gibt es nur, weil die Menschen dort unter unerträglichen Zuständen leiden. Stau, Lärm und schlechte Luft – das ist für die Tirolerinnen und Tiroler entlang der Brennerstrecke bittere Realität“, so Gewessler. Die Maßnahmen seinen laut der Ministerin gut argumentiert und EU-rechtlich notwendig. Laut der Gewessler sei es „unsere Verpflichtung, dass wir die Menschen vor ungesunder Luft schützen.“

Dem Klagversuchs Salvinis sieht sie gelassen entgegen. „Klar muss nur allen sein, was das heißt: Die Gesundheit und die Lebensumstände der Menschen in Tirol sind ihm weniger Wert als die Profite der italienischen Frächterlobby. Da werden wir dagegen halten: Solange es die Notmaßnahmen braucht, bleiben sie!“

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Solange es die Notmaßnahmen braucht, bleiben sie.
Leonore Gewessler, Verkehrsministerin (Grüne)

Laut Artikel 259 könne jeder EU-Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden.

EU-Kommissionspräsidentin bot Vermittlungsgespräch an

Die EU-Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme und gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden.

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte zuletzt versucht, in dem Konflikt „ein letztes Vermittlungsgespräch" anzubieten. Das zugrunde liegende Problem könne nur "gemeinsam" mit den drei beteiligten Ländern Österreich, Deutschland und Italien gelöst werden, sagte die Kommissionspräsidentin. Die Transit-Konflikt nahm in den vergangenen Monaten stetig an Schärfe zu.

Vor allem Salvini agitiert beständig mit Drohgebärden und heftiger Kritik gegen die Tiroler Anti-Transit-Maßnahmen wie Sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot und ähnlichem. Der italienische Verkehrsminister forderte die EU-Kommission sogar offiziell auf, deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Seinen deutschen Amtskollegen Volker Wissing hatte er mit im Boot, was die Kritik an Fahrverboten und transiteinschränkenden Maßnahmen betrifft.

Drei-Ländervertrag in weiter Ferne

Auf regionaler Ebene hatte es dagegen an der Transit-Front eine Einigung gegeben. Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol – Markus Söder (CSU), Anton Mattle (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP) – hatten im April in Kufstein öffentlichkeitswirksam ein „Slot-System" präsentiert.

Für ein solches digitales, grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste aber ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Ein solcher ist noch in weiter Ferne. Denn Salvini zeigte sich bisher strikt ablehnend - er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. Auch Deutschland reagierte sehr reserviert. (APA, TT)

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