Großes Kino: Kaurismäkis „Fallende Blätter“ und die Kraft der schlichten Schönheit
In Aki Kaurismäkis „Fallende Blätter“ schließen sich Hoffnungslosigkeit und Glück nicht aus.
Innsbruck – Sie lachen nicht, sie weinen nicht. Vielleicht träumen sie. Darüber reden tun sie nicht. Sie reden überhaupt sehr wenig. Und wirklich ansehen kann man den Helden und Heldinnen der Filme Aki Kaurismäkis auch nicht, was sie bewegt. Sie führen ein Leben am Rand. Genau genommen führen sie dieses Leben gar nicht, sondern leben es einfach. So wie Kino in seinen besten Momenten – und einige der besten Kinomomente überhaupt stammen von Aki Kaurismäki – einfach ist: alles und nichts, absolut gegenwärtig und zeitlos, kunstvoll und künstlich – und dabei so überwältigend echt, dass einem schon ein Blick, ein Wort, ein gesagtes oder eben nicht gesagtes, die Tränen in die Augen treiben könnte.
„Fallende Blätter“ ist Aki Kaurismäkis 18. Spielfilm. Der vierte im vergangenen Frühjahr in Cannes mit dem Jurypreis ausgezeichnete Teil seiner proletarischen Trilogie („Schatten im Paradies“, 1986, „Ariel“, 1988, und „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“, 1989). So jedenfalls sieht es Kaurismäki selbst. Und wenn es sich einer verdient hat, dass seine Sicht auf die Dinge unhinterfragt reportiert wird, dann Aki Kaurismäki, dieser vielleicht letzte aufrechte Autorenfilmer Europas, der niemandem nichts beweisen muss, weil er es allen schon immer gezeigt hat. Die Kraft des Kinos zum Beispiel: als Ort, an dem sich Hoffnungslosigkeit und Glück nicht ausschließen.
🎬 Trailer | „Fallen Leaves“
„Fallende Blätter“ ist eine hoffnungslose Geschichte. Und diese Geschichte macht glücklich. Obwohl die Welt, in der er spielt, genauso im Eimer ist wie die echte. Aus dem Radio hört man Schreckensnachrichten aus Mariupol. Und gleich beide Protagonisten kostet neoliberale Optimierungsordnung den Job: Ansa (Alma Pöysti) lässt im Supermarkt, in dem sie an der Kasse sitzt, altes Brot mitgehen, Holappa (Jussi Vatanen) hat – zunächst in einer Fabrik, dann am Bau – eine Flasche Hochprozentiges dabei.
Warum Holappa säuft, tut nichts zur Sache. Küchenpsychologie würde die schlichte Schönheit dieser Geschichte zerstören. Ansa und Holappa lernen sich kennen. Sie treffen sich zum Kaffeetrinken und gehen ins Kino. Sie gehören zusammen. Und sie verlieren einander natürlich. Weil Holappa den Zettel mit Ansas Nummer verliert. Ein fallendes Blatt unter vielen. Und sie finden wieder zusammen, weil sich – jedenfalls im Kino – Glück und Hoffnungslosigkeit nicht ausschließen. Wenn alle Hoffnung verschwunden ist, verliert auch Pessimismus seine Grundlage. Daraus lässt sich, das zeigt Aki Kaurismäkis wunderbarer neuer Film, sein jüngstes Meisterwerk, neue Hoffnung schöpfen.
Im Kino
Fallende Blätter. Ab 16 Jahren. Ab Freitag in den Kinos.