Chaotische Szenen: Migranten verließen in Massen Aufnahmelager auf Sizilien
In der Hafenstadt Porto Empedocle hätten etwa Hundert Migranten das Lager verlassen. Die italienische Regierung beschließt neue Maßnahmen gegen illegale Einwanderung. Die Haftdauer bei Abschiebungen soll auf 18 Monate angehoben werden.
Rom – In der sizilianischen Hafenstadt Porto Empedocle ist es am Montag zu chaotischen Zuständen gekommen. Hunderte Migranten verließen die Flüchtlingseinrichtung am Hafen, in dem circa tausend aus Lampedusa kommende Menschen eingepfercht sind. Zu Spannungen kam es wegen der langen Wartezeiten für den Einstieg in Busse, die die Migranten in Einrichtungen nach Norditalien bringen sollen. Sicherheitskräfte versuchten laut italienischen Medien vergebens, die Menschen zu stoppen.
Neue Migranten-Ankünfte auf Lampedusa
Tage nach Ausrufung des Notstands dort kamen unterdessen weiterhin Migranten auf Lampedusa an. 33 Menschen erreichten Montagfrüh die süditalienische Mittelmeerinsel an Bord eines Bootes, das von der italienischen Küstenwache in Sicherheit gebracht worden war. Vor dem Hintergrund der Migrationswelle Richtung Lampedusa ergreift der italienische Ministerrat in Rom weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung.
Am Sonntag waren 271 Migranten an Bord von sieben Booten auf Lampedusa eingetroffen. Die Behörden meldeten, dass weitere Boote mit hunderten Menschen an Bord in Richtung der Insel unterwegs seien. Im Hotspot Lampedusas befinden sich derzeit 1.104 Personen, teilten die Behörden mit. 11.000 Personen erreichten vergangene Woche die 20 Quadratkilometer große Insel, auf der 6300 Personen leben.
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kündigte bei einem Besuch auf Lampedusa in Begleitung von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Sonntag an, dass man die Inhaftierung von irregulär in Italien eingewanderten Personen zu Rückführungszwecken auf die nach den europäischen Vorschriften höchstmögliche Dauer ausweiten werde: 18 Monate. Die Regierung will außerdem dem Verteidigungsministerium das Mandat erteilen, Zentren für die Abschiebung von Migranten einzurichten.
„Ich war schon immer der Meinung, dass bei der Behandlung der ankommenden Migranten zwischen alleinstehenden Männern im arbeitsfähigen Alter, Müttern und Kindern unter 14 Jahren unterschieden werden sollte. Dies ist auch Gegenstand der Maßnahmen, die wir morgen im Ministerrat ergreifen werden;"erklärte Meloni bei einer Pressekonferenz mit von der Leyen. Frauen und Minderjährige unter 14 Jahren seien von der Schubhaft-Verlängerung ausgenommen. Von der Leyen stellte ihrerseits einen allgemein europäischen Notfallplan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise vor. Mithilfe eines Zehn-Punkte-Programms sollen Asylsuchende besser auf die europäischen Länder verteilt und weitere Massenankünfte von Migranten verhindert werden.
📽️ Video | Lampedusa: Kann 10-Punkte-Plan helfen?
Meloni und von der Leyen handeln unter dem Druck der Einwohner Lampedusas. Erstmals gab es auf der Insel zwischen Sizilien und Tunesien Bürgerproteste. Dutzende Anrainer blockierten den Konvoi mit den Politikerinnen auf dem Weg vom Flughafen zur Flüchtlingseinrichtung der Insel. Dabei kam es zu spannungsgeladenen Momenten. Die Demonstranten verlangten, mit Meloni zu sprechen. Die Regierungschefin stieg aus dem Auto aus und versprach, dass sie alles Erdenkliche unternehmen werde, um die von der Migrationswelle schwer belastete Insel zu unterstützen. Daraufhin entschlossen sich die Demonstranten, die Straße zu räumen.
Am Samstag war es zu Protesten wegen angeblicher Pläne zur Errichtung eines Zeltlagers für Migranten auf Lampedusa gekommen, da der Hotspot der Insel überfüllt ist. „Schluss, Lampedusa gehört uns und nicht der EU", skandierten einige Demonstranten. Sie zogen sich zurück, als der Polizeichef der sizilianischen Stadt Agrigent, Emanuele Ricifari, einem der Demonstranten versicherte, dass die Zelte lediglich der Unterbringung von Personal des Roten Kreuzes diene und kein Zeltlager für Migranten geplant sei.
Meloni: 45 Millionen Euro für Aufstockung von Infrastrukturen
Meloni und von der Leyen würdigten bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz die Anstrengungen der Bürger Lampedusas zur Versorgung der Migranten. Meloni erklärte, die Regierung in Rom habe 45 Millionen Euro für die Aufstockung von Infrastrukturen auf der Insel locker gemacht. Die Regierung wolle den Bewohnern der Insel unter die Arme greifen.
Am Wochenende hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) aufgrund der Situation in Lampedusa außerordentliche Kontrollen an den Grenzen zum Schengen-Partner Italien erwogen bzw. in Aussicht gestellt. Der Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac erklärte zur gegenwärtigen Situation gegenüber der Tiroler Tageszeitung (Montag): „Wir schauen uns die Situation stets sehr genau an. Gerade angesichts der Situation auf Lampedusa. Wir stellen aber fest, dass die aktuelle Route nicht über den Brenner führt." Die Aufgriffe von irregulär eingereisten Menschen in Tirol seien zwar „marginal" gestiegen, „aber nicht bemerkenswert". Viele Migranten würden entweder in Italien bleiben oder weiter nach Frankreich und Spanien ziehen. Der FPÖ-Europaparlamentarier Harald Vilimsky kritisierte unterdessen die Vorschläge von der Leyens als „völlig zahnlos".
Der französische Innenministerin Gerald Darmanin kündigte indes seinen Besuch in Rom an. Am Montagnachmittag soll er seinen italienischen Amtskollegen Matteo Piantedosi treffen. „Auf Wunsch von Präsidenten Emmanuel Macron werde ich nach Rom reisen. Wir wollen Italien beim Schutz seiner Außengrenzen unterstützen", sagte Darmanin laut italienischen Medienangaben. Darmanin hatte vergangene Woche eine Verstärkung der Polizei entlang der französisch-italienischen Grenze angekündigt, um die illegale Einreisen einzudämmen. „Frankreich wird die Migranten aus Lampedusa nicht aufnehmen", sagte der französische Innenminister.
Frankreich plant Aufnahmezentrum an Grenze
Frankreich plant indes die Errichtung eines Aufnahmezentrums für 200 Migranten in Menton unweit der italienischen Grenze. Laut Medienberichten soll das Aufnahmezentrum vom Zivilschutz verwaltet werden. Frankreich hat den Berichten zufolge außerdem mit Kontrollen an der italienischen Grenze begonnen. Auch Drohnen werden demnach zur Überwachung der Grenze eingesetzt. (APA)