UNO-Generaldebatte: Schallenberg für Sicherheitsratsreform
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) fordert eine Reform des UNO-Sicherheitsrats ein. Vor einem Treffen mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, ortete Schallenberg anlässlich der Generaldebatte im Rahmen der 78. Generalversammlung am Dienstag in New York eine "gewisse Dynamik" in dieser Frage. Konkret begrüßte er, dass sich US-Präsident Joe Biden in seiner Rede für eine solche Reform ausgesprochen habe. Auch Guterres ist für eine Änderung.
Diese Reform ist Bestandteil eines Prozesses, der im September des kommenden Jahres in einen "Summit of the Future" münden soll. Gemeinsam mit dem Schallenberg und Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte Guterres am späteren Nachmittag (Ortszeit) außerdem noch einen Gesprächstermin.
Zum Start der Generaldebatte der UNO-Vollversammlung warnte Guterres vor einer Aufspaltung der Welt. Es gebe tiefe Gräben zwischen den größten Wirtschafts- und Militärmächten, zwischen Ost und West sowie zwischen reichen Staaten und Entwicklungsländern. "Wir nähern uns immer mehr einem großen Bruch der Wirtschafts- und Finanzsysteme sowie der Handelsbeziehungen."
Ohne eine Reform der internationalen Institutionen - auch des UNO-Sicherheitsrates - könnten Probleme und Interessen nicht wirksam angegangen werden. Der Status quo sei keine Lösung: "Es geht um Reform oder das Zerbrechen", meinte Guterres. "Unsere Welt gerät aus den Fugen. Die geopolitischen Spannungen nehmen zu. Die globalen Herausforderungen nehmen zu. Und wir scheinen nicht in der Lage zu sein, zusammenzukommen, um darauf zu reagieren."
Die aktuelle Zusammensetzung des Sicherheitsrats mit fünf ständigen Mitgliedern (China, Frankreich, Russland, USA und Großbritannien) stamme aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und spiegle die aktuelle Situation nicht mehr wider, argumentierte auch der Außenminister. "Die Welt hat sich weiterentwickelt", sagte Schallenberg. Dem müsse Rechnung getragen werden. Ideen gebe es viele. Es sei aus österreichischer Sicht aber leicht, etwa ein Ende des Vetorechts, räumte Schallenberg ein, wohlwissend, dass es "dazu nicht kommen wird."
Aber es könnte schon Änderungen geben, etwa dass ein alleiniges Veto nicht mehr genüge. Eine Reform bei der Zusammensetzung des Gremiums müsse aber auch berücksichtigen, dass der "globale Süden mehr für sich einfordert", sagte Schallenberg in Bezug auf die Entwicklungs- und Schwellenlände vordringlich aus dem afrikanischen und asiatischen Raum.
Das habe am Dienstag auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva vor dem Plenum deutlich gemacht. Mit Lula trafen Schallenberg und Van der Bellen am Nachmittag (Ortszeit) ebenfalls zusammen. Der Bundespräsident ließ im Vorfeld wissen, dass die Klimakrise "nur gemeinsam" bewältigt werden könne. "Brasilien spielt eine Schlüsselrolle in unseren gemeinsamen Anstrengungen zur Bewältigung der globalen Krise, einschließlich der Klimakrise", sagte Van der Bellen weiter. Die EU habe ihre Unterstützung für den Schutz des Amazonasgebietes vor Abholzung verstärkt, erinnerte der Bundespräsident: "Das ist eine gute Sache, denn: Der Amazonas absorbiert große Mengen an Kohlendioxid und ist daher für unser Klima lebenswichtig. Ohne Lateinamerika werden wir die Klimakrise nicht aufhalten können."
Schallenberg bekräftigte seine bereits im Vorfeld geäußerte Ansicht, dass der "Multilateralismus" aktuell einem Stresstest unterworfen sei und die multipolare Welt Risse aufweise. Das habe sich nicht zuletzt durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die unterschiedlichen Haltungen dazu gezeigt.
Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die Arbeit der Vereinten Nationen könnten schlimmer sein, meinte indes der UNO-Experte Richard Gowan von der Denkfabrik Crisis Group in New York im Gespräch mit österreichischen Medien. So habe der Sicherheitsrat, in dem auch Russland als ständiges Mitglied vertreten ist, seine Arbeit "mehr oder weniger" fortgesetzt und etwa auch Resolutionen zum Sudan oder Afghanistan verfasst.
Allerdings sei es den Staaten des "Globalen Südens" gelungen, ihre Forderungen wieder aufs Tapet zu bringen, wonach wieder mehr über ihre wirtschaftlichen Probleme und Entwicklungsprogramme gesprochen werden müsse, meinte der UNO-Experte. Jedenfalls habe auch Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner Rede im Rahmen der UNO-Generaldebatte ein Publikum vorgefunden, das in der Frage der Beurteilung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine keineswegs homogen sei, sondern durchaus differenzierte Ansichten vertrete, so der UNO-Insider.
Schallenberg konferierte am Dienstag mit seinen Amtskollegen von den Philippinen (Enrique Manalo), aus Tunesien (Nabil Ammar) und Algerien (Ahmed Attaf) und Außenministerin von Cote d'Ivoire (Kandia Camara). Erfreut zeigte sich Schallenberg, dass es mittlerweile eine fortgeschrittene Kooperation unter den EU-Staaten gebe. Die Inspiration dazu sei vor einigen Monaten auch Österreich gekommen. "Ich habe damals vorgeschlagen, wenn jeder einzelne Außenminister hier auch nur einen zusätzlichen Staat trifft, dann sind das 27 weitere Staaten."
Am Abend besuchte Schallenberg noch die Finissage der Ausstellung "What Should I be Afraid of? Roma Artist Celja Sojka" im Österreichischen Kulturforum in New York. Die Exposition zeigt 90 Gemälde und Zeichnungen der österreichischen Romakünstlerin Celja Stojka (1933-2013). Sie überlebte in ihrer Kindheit und frühen Jugend drei nationalsozialistische Konzentrationslager und war in ihrem weiteren Leben engagierte Kämpferin für die Rechte ihrer Volksgruppe. Dies Ausstellung war am 23, Mai 2023 - dem 90 Geburtstag Stojkas - eröffnet worden und kann noch bis 25 September besucht werden,