Neue Zugänge für alte Technik: Peter Niedertscheider in der Neuen Galerie
Innsbruck – Das Licht spielt bei seinen Werken eine zentrale Rolle, besonders der Lichteinfall. Der muss bei den Steinarbeiten von Peter Niedertscheider passen, zeichnet doch vor allem der Schatten die dahingehauchten Details in seinen Flachreliefs. Seit dem Studium bei Alfred Hrdlicka benutzt der Osttiroler die Technik des „rilievo stiacciato“, also des „gequetschten Reliefs“, das Bildhauerei ist, die Malerei u. a. in Sachen Bildkomposition imitiert. Die Frührenaissance hat’s erfunden. Beeindruckende Beispiele finden sich bis heute nicht nur an der Paradiespforte von Ghiberti in Florenz.
In der zeitgenössischen Kunst dagegen spielt die Steinbildhauerei so gut wie keine Rolle. Dem Stein wird bei Künstlerinnen wie Alicja Kwade höchstens konzeptuell begegnet. Da ist Niedertscheiders beharrliche Suche nach neuen Zugängen zu der alten Technik nicht nur verwunderlich, sondern auch bewundernswert. Noch bis 4. November kann man in der Neuen Galerie seine neue Serie der „Raumteiler“ entdecken. Niedertscheiders letzte Personale bei der Künstler:innenschaft ist inzwischen 17 Jahre her. 2002 wurde der Lienzer mit dem Paul-Flora-Preis ausgezeichnet.
Den Titel hat Niedertscheider der gesamten Ausstellung übergestülpt – den Ausstellungsraum selbst teilt er damit allerdings nicht. Es sind die Räume, besser Interieurs in jedem einzelnen Relief, deren sich der Osttiroler annimmt: Er teilt sie, bearbeitet sie, zeichnet sie mit dem Meißel oder per Lasergravur.
Daraus ergibt sich ein durchaus reizvolles Spiel mit der Perspektive, denn die Reliefs bleiben ja flach. Ist die menschliche Figur nun Teil des Hintergrunds oder sitzt da bloß eine menschlich geformte Buchstütze auf einem Regal im Vordergrund? Unklar bleibt ebenso der Kontext – wo sind die Räume zu verorten? Niedertscheiders Motive sind zeitlos, lassen die klassischen Figuren neben Bonsai-Bäumchen aufpoppen, die man heute in jedem Ikea kaufen könnte. Nur in kurzen Momenten huscht die Gegenwart vorbei, im Porträt der verstorbenen Sängerin Amy Winehouse etwa. Er bilde auch sein eigenes Umfeld ab, verrät der Bildhauer, Details, aus seinem Haushalt.
Handelsüblich ist auch der Stein selbst, den Niedertscheider bearbeitet – klassische Aura? Nein, danke! Marmor etwa findet sich in dieser Schau nur an einer Stelle. Der Rest der „Raumteiler“ entstand auf handelsüblichen (Boden-)Fließen.
Dabei beginnt alles mit dem Fragment, in den Arbeiten am Eingang collagiert Niedertscheider Steinreste zu Interieurs. Wo das Licht noch dramatischere Schatten werfen kann. Mit „Raumteiler“ zeigt die Neue Galerie jedenfalls eine etwas andere Schau. Eine, die auf Technik, nicht auf Inhalt fokussiert – so wie es früher einmal üblicher war. Inwiefern die Meisterschaft heute zählt oder interessiert, ist eine andere Frage. (bunt)