Polen liefert keine Waffen mehr an die Ukraine und rüstet selbst auf
Der Konflikt über ukrainische Getreideimporte sorgt in Polen für Ärger. Jetzt hat Ministerpräsident Marawiecki angekündigt, der Ukraine keine Waffen mehr liefern zu wollen. Stattdessen will Polen selbst aufrüsten.
Warschau/New York – Polen will keine Waffen mehr an die benachbarte Ukraine liefern. Das kündigte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwoch laut der polnischen Nachrichtenagentur PAP im privaten Fernsehsender Polsat News an. Hintergrund ist der Konflikt zwischen Polen und der Ukraine über ukrainische Getreideimporte.
Regierungssprecher Piotr Müller präzisierte am Donnerstag nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP, bereits zugesagte Waffenlieferungen an Kiew würde erfolgen. "Polen realisiert allein die Lieferungen von Munition und Waffen, die zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen wurden." Dazu gehöre auch der größte Auslandsvertrag, den die polnische Rüstungsindustrie nach 1989 abgeschlossen habe - die Lieferung der Kanonenhaubitze Krab. Müller kritisierte, von der ukrainischen Seite habe es zuletzt eine Serie von "absolut inakzeptablen Äußerungen und diplomatischen Gesten gegeben".
Aufrüstung in Polen
Anstatt Waffen zu liefern, wolle sich Polen nun selbst mit modernsten Waffen ausstatten, sagte der im Wahlkampf stehende Morawiecki. Polen unterstütze den Sieg über den "russischen Barbaren", könne aber nicht mit einer Destabilisierung des polnischen Marktes durch ukrainische Getreideimporte einverstanden sein, so der polnische Regierungschef. Den Transit ukrainischer Waren werde man aber aufrechterhalten.
Morawiecki betonte, dass Polen die Sicherheit der Ukraine nicht gefährden werde. "Unser Drehkreuz in Rzeszow erfüllt in Absprache mit den Amerikanern und der NATO weiterhin dieselbe Rolle wie bisher und wird dies auch weiterhin tun", sagte er. Die südostpolnische Stadt Rzeszow ist ein wichtiges Drehkreuz für westliche Waffenlieferungen in die Ukraine.
Getreideimporte sorgen für Verstimmungen
Das NATO- und EU-Land Polen zählt zu den größten Unterstützern und Waffenlieferanten der Ukraine seit dem russischen Angriff auf das Land vor rund eineinhalb Jahren. Zudem hat Polen knapp eine Million Kriegsvertriebene aus der Ukraine aufgenommen. Zuletzt sorgte der Konflikt um die Getreideeinfuhren aus der Ukraine aber für Verstimmungen zwischen den beiden Nachbarländern und engen Verbündeten.
Agrargüter zählen zu den wichtigsten Einnahmequellen der Ukraine. Wegen des Kriegs gegen Russland versucht die Ukraine, Produkte statt über das umkämpfte Schwarze Meer verstärkt über den Landweg zu exportieren. Polen und andere osteuropäische Länder befürchten dadurch einen Preisverfall bei Agrarprodukten. Die EU-Kommission hat am vergangenen Freitag die umstrittenen Handelseinschränkungen für ukrainische Getreideprodukte beendet. Polen, Ungarn und die Slowakei untersagen aber weiterhin Getreideeinfuhren. Die Ukraine hat deshalb vor der Welthandelsorganisation (WTO) Beschwerde gegen die drei Länder eingereicht.
Am Mittwoch hatte Polen aus Protest gegen Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor der UNO-Vollversammlung den ukrainischen Botschafter ins Außenministerium in Warschau zitiert. Der ukrainische Präsident hatte gesagt, das "politische Theater" um Getreide-Importe aus der Ukraine komme nur Russland zugute.
Versöhnung mit Slowakei
Die Slowakei will unterdessen ihren Importstopp für ukrainisches Getreide beenden. Das Land habe sich mit der Ukraine auf ein Lizenzsystem geeinigt, teilte das slowakische Agrarministerium mit. Sobald dieses stehe, werde der Bann aufgehoben. Im Gegenzug ziehe die Ukraine ihre Beschwerde gegen die Slowakei bei der WTO zurück.
Zu einer möglichen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine durch Deutschland gibt es unterdessen nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock noch keine Entscheidung. "Das ist hochspezielles technologisches Gerät. Deswegen müssen wir das auch für uns sehr genau prüfen, wie es zum Einsatz kommen kann", sagte die Grünen-Politikerin im ZDF Morgenmagazin. "In der Klärung dieser Fragen sind wir mitten drin."
Belgien erwägt, der Ukraine Kampfjets vom Typ F-16 zu überlassen. Er habe das Verteidigungsministerium gebeten zu prüfen, "welchen Nutzen unsere F-16 in der Ukraine haben könnten", sagt Ministerpräsident Alexander De Croo dem belgischen Sender VRT am Rande der UNO-Generalversammlung in New York. "Wir müssen alle Optionen in Betracht ziehen."
Belgien ersetzt seine F-16-Jets durch F-35-Kampfflugzeuge. Nach Ansicht des Verteidigungsministeriums sind die F-16 für die Ukraine zu alt für Kampfeinsätze. De Croo merkt allerdings an, die Flugzeuge könnten womöglich durchaus noch brauchbar sein, etwa bei der Ausbildung von Piloten. Norwegen, Dänemark und die Niederlande haben in den vergangenen Monaten erklärt, dass sie der Ukraine F-16 Kampfjets liefern werden, sobald deren Luftwaffe so weit ist, die Maschinen einzusetzen. (APA)
Analyse
Die schwache UNO und der neue Herdentrieb
Lamy und Pons im TT-Gespräch
Europas Rolle in der Welt: „Wir können nicht warten, bis Albträume wahr werden“
400 Mio. Euro