Mitreißend laut: Manu Delago und „konsTellation plus“ in Concert
Innsbruck – Allzu oft kommt es nicht vor, dass Eintreffenden im Innsbrucker Haus der Musik (HdM) beim Eingang Ohrstöpsel offeriert werden. „Es wird laut heute Abend“, so der zweckdienliche Hinweis zwischen Tür und Angel. Zweieinhalb Stunden später fischt sich manch einer, wie der hier Schreibende, die Stöpsel wieder aus den Ohrwaschln. Das Konzert am Mittwochabend gestaltet sich phasenweise tatsächlich ziemlich laut, aber auch mitreißend gut.
Schlagwerker und Komponist Manu Delago, tags zuvor noch mit Superstar Björk in Wien auf der Bühne, und das Orchester konsTellation plus, eine Selektion von Studierenden und ProfessorInnen des Landeskonservatoriums, rocken den großen Saal des HdM mit vereinter Kraft und musikalischem Furor.
Das audiovisuelle Stück „Environ us“ ist die Orchesterfassung von „Environ me“, einer Soloproduktion Delagos von 2021. Der Sound der Natur verschmilzt mit jenem der Instrumente, Videos auf großer Leinwand geben den Takt. Delago wechselt hurtig das Arbeitsgerät: Den als Hang oder auch handpan bezeichneten Klangtöpfen entlockt er sphärische Wohlfühlsequenzen. Auf einem klassischen Drumset lässt er es krachen wie einst im Probekeller. Das junge Orchester legt sich als Begleitband mächtig ins Zeug. Das gemeinsame Produkt ist raumfüllend, spektakulär, mitunter bombastisch. Im Saal pulsiert und brodelt es.
„Environ us“ ist eine Uraufführung in Tirol und über Tirol. Delago hat den Ist-Zustand seiner alpinen Heimat filmisch-akustisch aufbereitet. Feuer knistert, Herbstlaub raschelt, Schnee unter stapfenden Füßen. (K)ein Idyll. Strommasten zerschneiden die Landschaft, Alt-Autos türmen sich zu Schrottbergen, veraltete Liftanlagen stehen stumm und tatenlos herum.
Aus Baumstümpfen wachsen Kontrabässe, ist die Welt (durch Musik) noch zu retten? Ja, vielleicht. Final hüpft auf dem Mega-Screen fertiges Popcorn aus einem Topf, synchron zum Schlagwerk Delagos. Im Foyer gibt es das Knabberzeugs später real und käuflich zu erwerben.
Delagos Gig ist ein erwartetes Highlight der noch bis 24. September laufenden 30. Ausgabe der „Klangspuren“. Die in Fraktionsstärke erschienene Fan-Gemeinde feiert den Musiker ausgiebig.
Das soll aber keineswegs die beeindruckende Leistung von konsTellation plus schmälern, mit Ivana Pristašová als Konzertmeisterin und unter Leitung von Lars Mlekusch.
Speziell bei Friedrich Cerhas „Mikrogramme“ (WV 206, Fassung 2019), einer Klanginstallation mit immensem Spektrum, zeigt das Kollektiv groß auf. (mark)