Israel verschiebt Bodenoffensive: „Brauchen Zeit, um zu siegen“
Die israelische Armee nimmt den von der Hamas beherrschten Gazastreifen weiter unter Dauerbeschuss und bereitet die Bodenoffensive vor. „Unser Sieg wird sicherstellen, dass der islamistische, radikale Terror nicht nach Paris, London und New York kommt", verkündete der israelische Außenminister.
Tel Aviv/Gaza – Im Kampf gegen die islamistische Hamas braucht Israel nach Angaben von Außenminister Eli Cohen „Zeit, um zu siegen". Cohen sagte am Sonntag in der israelischen Küstenstadt Ashkelon: „Unser Sieg wird sicherstellen, dass der islamistische, radikale Terror nicht nach Paris, London und New York kommt." Ashkelon wird seit mehr als einer Woche immer wieder von der Hamas aus dem Gazastreifen mit Raketen angegriffen.
Cohen bekräftigte angesichts des Massakers an israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival, die Hamas sei schlimmer als das Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS). „Sie werden den Preis bezahlen", sagte er. Man werde weitermachen, bis die Sicherheit der Bürger Israels gewährleistet werden könne.
📽 Video | Oberst zur verschobenen Bodenoffensive
Das israelische Militär tötet nach eigenen Angaben einen weiteren Drahtzieher der von Hamas-Angreifern unter Israelis verübten Massaker. Billal Al Kedra, Befehlshaber terroristischer Einheiten im südlichen Khan Yunis, sei bei Luftangriffen am Vorabend getötet worden, teilte die Armee Sonntagfrüh mit. Auch weitere Terroristen der Hamas und der militanten Palästinensergruppe Islamischer Jihad seien dabei ums Leben gekommen. Im Gazastreifen sind nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums vom Sonntagabend seit Beginn des jüngsten Konflikts am 7. Oktober bisher 2670 Palästinenser getötet und rund 9600 verletzt worden. Damit ist die Zahl der berichteten Toten auf der palästinensischen Seite binnen gut einer Woche bereits höher als während des Gaza-Kriegs 2014, als innerhalb von 50 Tagen 2250 Menschen in dem Küstenstreifen ums Leben kamen. Damals waren auch 66 israelische Soldaten und fünf Zivilisten getötet worden.
Einem US-Medienbericht zufolge verzögert sich der geplante israelische Einmarsch in den Gazastreifen wegen widrigen Wetters. Die Bodenoffensive hätte eigentlich schon dieses Wochenende beginnen sollen, sei aber wegen des bewölkten Himmels und der deswegen erschwerten Sicht für Piloten und Drohnen vertagt worden, berichtete die New York Times unter Berufung auf drei namentlich nicht genannte, ranghohe israelische Offiziere. Ein israelischer Armeesprecher sagte am Samstag, man warte auf eine „politische Entscheidung" über den Beginn der Offensive.
Ziel ist es, die politische und militärische Führungsebene der Islamistenorganisation Hamas auszulöschen, die vor einer Woche Massaker mit Hunderten Todesopfern in Israel begangen hat. Die Militäroperation berge die Gefahr, dass sich Israel in monatelange blutige Häuserkämpfe verstricke, heißt es in dem Zeitungsbericht. Es werde angenommen, dass sich Zehntausende von Hamas-Kämpfern in Bunkern und Hunderte Kilometer langen unterirdischen Tunnelsystemen unter Gaza-Stadt und den umliegenden Teilen des nördlichen Gazastreifens verschanzt haben. Israels Armee gehe davon aus, dass die Hamas versuchen wird, ihr Vorankommen zu behindern, indem sie Tunnel sprenge, während die Bodentruppen über sie vorrücken. Die Hamas plane zudem, durch geheime Tunnelausgänge hinter die israelischen Linien zu gelangen und von hinten anzugreifen. Ein strategisches Dilemma sei zudem, dass die Terroristen sich unter der Erde besonders effektiv mit Geiseln verschanzen könnten.
Neben Infanterieeinheiten wird Israels Eingreiftruppe auch Panzer und Pioniere umfassen, fügten die Offiziere laut der Zeitung hinzu. Die Bodentruppen bekämen Deckung von Kampfflugzeugen, Kampfhubschraubern, Drohnen und Artillerie vom Land wie auch vom Meer aus, hieß es. Israelische Beamte warnen davor, dass die Hamas israelische Geiseln töten und Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzen könnte. Zudem hätten sie das Gebiet mit Sprengfallen übersät, berichtete die New York Times weiter.
Weiterer Drahtzieher des Hamas-Massakers getötet
Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben einen weiteren Drahtzieher der von Hamas-Angreifern unter Israelis verübten Massaker getötet. Billal Al Kedra, Befehlshaber terroristischer Einheiten im südlichen Khan Yunis, sei bei Luftangriffen am Vorabend getötet worden, teilte die Armee Sonntagfrüh mit. Auch weitere Terroristen der Hamas und der militanten Palästinensergruppe Islamischer Jihad seien dabei ums Leben gekommen.
Im Gazastreifen sind nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums seit Beginn des jüngsten Konflikts am 7. Oktober bisher 2329 Palästinenser getötet und 9714 verletzt worden.
Der Iran und die Hamas berieten sich über eine Stärkung ihres Widerstands gegen Israel. Bei ihrem Treffen in der katarischen Hauptstadt Doha hätten Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian und Hamas-Chef Ismail Haniyeh über Möglichkeiten gesprochen, die „Achse des Widerstands" gegen Israel zu stärken, berichtete die iranische Staatsagentur Irna am Sonntag. Gemeint ist damit eine Allianz militanter Gruppen gegen den jüdischen Staat. Seit der Islamischen Revolution von 1979 ist Israel Irans Erzfeind. Teheran hat seit den 1990er-Jahren seine politischen und militärischen Beziehungen in der Region ausgebaut.
US-Außenminister Antony Blinken hielt unterdessen nach eigenen Angaben ein „sehr produktives" Treffen mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman in Riad ab. Die Begegnung habe knapp eine Stunde gedauert, teilte ein Sprecher Blinkens mit. „Die beiden bekräftigten ihr gemeinsames Engagement für den Schutz der Zivilbevölkerung und die Förderung der Stabilität im Nahen Osten und darüber hinaus." Blinken habe betont, dass es den USA darum gehe, Angriffe der Hamas zu stoppen, die Freilassung aller Geiseln zu gewährleisten und eine Ausbreitung des Konflikts zu verhindern. Salman ist de facto der Herrscher Saudi-Arabiens und einer der einflussreichsten und mächtigsten Politiker in der Region. Saudi-Arabien arbeite seinen Angaben zufolge hart daran, eine Ausweitung des Nahost-Konflikts zu verhindern.
Blinken reiste am Sonntag von Riad nach Kairo weiter, wo er den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi traf. Dieser übte scharfe Kritik an der israelischen Reaktion auf den Hamas-Terror und sprach von einer „kollektiven Bestrafung". Eine Verzögerung bei der Suche nach Lösungen der Krise werde zu mehr Opfern führen, so Al-Sisi. Es sei sehr wichtig, Spannungen abzubauen und die Lieferung von Hilfsgütern in den abgeriegelten Gazastreifen zu erleichtern. Ägypten bemühe sich überdies, andere Parteien davon abzuhalten, in den Konflikt einzugreifen.
📽️ Video | Versuch der Deeskalation: Blinken trifft saudischen Kronprinz
Palästinensische Terroristen hatten vergangenes Wochenende im Auftrag der Hamas ein Massaker unter israelischen Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Mehr als 1300 Menschen wurden getötet. Israel antwortet seither mit heftigen Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen.
Papst Franziskus forderte die Freilassung aller Geiseln im Gazastreifen. Beim Angelus-Gebet am Sonntag zeigte er sich besorgt und sprach sich für die Einrichtung humanitärer Korridore in Gaza aus. „Es sind schon sehr viele Menschen gestorben. Man darf kein weiteres unschuldiges Blut vergießen, weder im Nahost noch in der Ukraine. Schluss mit Kriegen, sie sind immer eine Niederlage", so Franziskus.
📽️ Video | Papst fordert „humanitäre Korridore" im Gazastreifen
Partielle Reisewarnung für Israel
In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv hat es am Sonntag erneut Raketenalarm gegeben. Einwohner des Stadtzentrums rannten in Schutzräume und hörten eine dumpfe Explosion. Auch auf andere israelische Ortschaften vor allem im Grenzbereich zum Gazastreifen feuerten militante Palästinenser weiter Raketen ab.
Mittlerweile hat Österreich eine Reisewarnung für die Teile Israels ausgesprochen, die an den Gazastreifen, den Libanon und Syrien grenzen. Unterdessen ist der Flughafen im syrischen Aleppo ein zweites Mal von Raketen getroffen worden, die eben erst reparierte Landebahn ist wieder unbrauchbar. Syrien macht Israel dafür verantwortlich.
Der Flughafen der syrischen Hauptstadt Damaskus ist nach einem Angriff Israels noch nicht wieder repariert. Auch hat die israelische Armee nach eigenen Angaben mehrere Ziele in Syrien angegriffen. Nach einem Luftalarm in den Orten Avnei Eitan und Alma auf den annektierten Golanhöhen greife die Armee Ziele in Syrien an, von denen der Beschuss ausgegangen sei, erklärte ein Armeesprecher am Samstagabend. Zudem würden Berichte über ein Eindringen aus dem Libanon auf dem Luftweg geprüft.
Österreichs Außenministerium hat angesichts der Eskalation in der Region die Sicherheitsstufe für Israel von 4 „hohes Sicherheitsrisiko" auf 5 „partielle Reisewarnung" für die Gebiete in Israel rund um den Gazastreifen sowie entlang der israelischen Grenze zum Libanon und zu Syrien erhöht und warnt vor allen Reisen dorthin. Österreichern und Österreicherinnen in Israel sollen den Anweisungen der israelischen Behörden Folgen, die Nachrichten verfolgen und sich bei der Botschaft in Tel Aviv melden oder sich beim Außenministerium registrieren.
Während Österreich seine Evakuierungsflüge bereits abgeschlossen hat, sind Bundeswehrmaschinen mit ausgeflogenen Passagieren aus Israel in Deutschland gelandet. Der erste Militärtransporter vom Typ A400M erreichte Sonntagfrüh den Militärflugplatz im niedersächsischen Wunstorf. An Bord waren nach Bundeswehr-Angaben 51 Passagiere. Eine zweite Transportmaschine landete dort gegen 7 Uhr, wie die Bundeswehr auf der Online-Plattform X (früher Twitter) mitteilte. Den Angaben nach waren 29 Passagiere an Bord. Gegen 5.20 Uhr war ein drittes Flugzeug gestartet, um Ausreisewilligen die Rückkehr aus Israel nach Deutschland zu ermöglichen.
In Deutschland hat sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) für die Ausweisung von Unterstützern der islamistischen Terrororganisation Hamas aus Deutschland ausgesprochen. „Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweisung von Hamas-Unterstützern nutzen", sagte sie der Bild am Sonntag. Unterstützung erhielt sie vom SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil, der in den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte, „wenn jemand, der auf deutschen Straßen die Hamas feiert, nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat, dann sollte er aus Deutschland ausgewiesen werden", es müsse „ein demokratischer Konsens in unserer Gesellschaft sein, dass wir den barbarischen Terror der Hamas verurteilen". Man dürfe aber nun nicht pauschal Araber oder Muslime in Deutschland für den Terror der Hamas verurteilen. (APA/dpa)
🔴 Live-Updates
Gewaltspirale in Nahost: Die aktuellen Entwicklungen im Gazastreifen und Israel
Friedhöfe sind voll
Leichen im Gazastreifen werden in Eiscreme-Lastern aufbewahrt
Eskalation in Nahost
UNO: Rund eine Million Menschen im Gazastreifen vertrieben
Passieren Kriegsverbrechen?
Terrorattacke in Israel und Gegenangriff: Was sagt das Völkerrecht?
Pia Andreatta im Gespräch
Innsbrucker Traumaforscherin arbeitete in Nahost: „Ich habe sehr viel Hass erlebt – von beiden Seiten“
Eskalation in Nahost
Konfliktforscher zu Pro-Hamas-Demos: „Emotionalität verhindert nüchterne Debatten“
Bodenoffensive steht wohl bevor