UNO: Rund eine Million Menschen im Gazastreifen vertrieben
Israel rief die Gaza-Einwohner auf, in den Süden des Palästinensergebietes zu fliehen. Die USA pochen auf den Schutz der Zivilbevölkerung.
Gaza – In der ersten Woche des Kriegs zwischen Israel und der Hamas sind nach Schätzungen der UNO rund eine Million Menschen im Gazastreifen vertrieben worden. Die tatsächliche Zahl der Binnenvertriebenen liege wahrscheinlich noch höher, da zahlreiche Menschen in dem Küstengebiet weiterhin ihre Häuser verließen, sagte die Sprecherin des UNO-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Juliette Touma, am Sonntag.
Israel wirft Hamas vor: Flucht zu blockieren
Die israelische Armee hatte die Zivilisten im Norden des Gazastreifens am Freitag in der Früh zur Flucht aufgerufen. Eigenen Angaben zufolge bereitet sich das israelische Militär auf eine Bodenoffensive in dem Palästinensergebiet vor. Die Armee sicherte am Sonntag erneut zu, in einem Zeitraum von drei Stunden keine Angriffe auf eine Route aus dem Norden des Gazastreifens zu verüben, damit sich die Einwohner im Süden des Palästinensergebietes in Sicherheit bringen könnten. Israel wirft der Hamas vor, die Flucht der Zivilisten zu blockieren, um sie als „menschliche Schutzschilde" zu benutzen.
Laut dem UNO-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) löste die israelische Aufforderung eine „Massenflucht" aus. „Massenflucht aus dem Norden in den Süden des Gazastreifens ist im Gange", erklärte das UNO-Büro am Sonntag in Genf. Partner-Hilfsorganisationen hätten berichtet, dass „die Zahl der Binnenvertriebenen innerhalb der vergangenen 24 Stunden deutlich gestiegen" sei, erklärte OCHA. Ihre genaue Zahl sei nicht bekannt. Zuvor hatte OCHA mitgeteilt, dass bis Donnerstag am späten Abend 423.378 Binnenvertriebene im Gazastreifen gezählt worden seien. Knapp zwei Drittel davon wurden demnach vom UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in insgesamt 102 Notunterkünften beherbergt.
Auch ÖsterreicherInnen noch am Gazastreifen
Nach Angaben des österreichischen Außenministeriums befinden sich aktuell auch rund drei Dutzend Österreicherinnen und Österreicher samt Angehörigen im Gazastreifen. Es handle sich größtenteils um Doppelstaatsbürger, und sie seien bereits im Süden des Gazastreifens, hieß es am Samstagabend gegenüber der APA. In Kooperation mit Israel und Ägypten bemühe man sich, den Ausreisewilligen unter ihnen das Verlassen des Palästinensergebiets über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten zu ermöglichen.
Die israelische Armee nannte am Sonntag ein weiteres Zeitfenster für eine Evakuierung von Zivilisten im Norden des Gazastreifens in Richtung Süden. Der israelische Armeesprecher veröffentlichte auf X (vormals Twitter) in arabischer Sprache die Information, Einwohner der Stadt Gaza und des nördlichen Gazastreifens hätten von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr Ortszeit (09.00 bis 12.00 Uhr MESZ) Zeit, um eine sichere Fluchtroute zu nutzen.
Die Armee werde in diesem Zeitraum diesen Korridor nicht angreifen. Wem die Sicherheit seiner Familie am Herzen liege solle sich in Richtung Süden begeben, hieß es in der Mitteilung. Die im Gazastreifen herrschende Hamas kümmere sich um ihre eigenen Mitglieder und ihre Familien. Es gab auch Berichte, die Hamas hindere Zivilisten an der Flucht. Israel warf der Islamistenorganisation immer wieder vor, sie missbrauche die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde.
Bereits Hunderttausende Palästinenser in Süden geflüchtet
Israels Aufforderungen an die Bevölkerung im Gazastreifen werden auch auf anderen Kanälen übermittelt, unter anderem durch Flugblätter. Nach bisherigen Evakuierungsaufrufen haben sich nach Militärangaben bereits Hunderttausende Palästinenser in den Süden des schmalen Küstenstreifens begeben. Im Gazastreifen leben rund 2,3 Millionen Palästinenser.
Die US-Regierung pochte indes auf den Schutz der Zivilbevölkerung. „Wir stehen für den Schutz der Zivilbevölkerung, und wir wollen sicherstellen, dass unschuldige Palästinenser, die nichts mit der Hamas zu tun haben, in sichere Gebiete gelangen können, wo sie vor Bombardierungen geschützt sind und Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie Nahrung, Wasser, Unterkunft und Medizin haben", sagte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag im US-Fernsehen. Er habe gerade erst Kontakt zu einem israelischen Kollegen gehabt, der ihm gesagt habe, dass Israel die Wasserleitung im südlichen Gazastreifen wieder in Gang gesetzt habe. Mit Blick auf eine vorübergehende Öffnung des Grenzübergangs Rafah von Gaza nach Ägypten für US-Bürgerinnen und -Bürger, sagte Sullivan, dass die Situation dort sehr kompliziert sei. Zwar habe Ägypten die Ausreise gestattet und Israel zugesagt, dass eine sichere Ausreise möglich sein werde. Doch habe die islamistische Hamas „Schritte unternommen", um die Ausreise zu verhindern. (APA/dpa/AFP)
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