Kritik am Vorgehen der Polizei

Israelische Flagge von Wiener Synagoge gerissen: Eine Täterin geständig

Der Vorfall sorgt für Empörung.
© Screenshot Twitter/APA

In der Nacht auf Samstag wurde eine israelische Fahne vom Wiener Stadttempel gerissen. Der Vorfall ist auf einem Video zu sehen. Eine Täterin hat mittlerweile gestanden. Das Vorgehen der Polizei sorgt für Kritik.

Wien – Nach dem Herunterreißen einer israelischen Flagge vom Stadttempel in der Wiener Innenstadt hat die Polizei eine Verdächtige ausforschen können. Die 17-Jährige ist laut einer Aussendung geständig, was Sachbeschädigung angeht, bestreitet aber den Vorwurf der Verhetzung. Die beiden anderen Täter will sie erst kurz vor dem Vorfall kennengelernt haben. Sie sollen sie zu der Aktion bewogen haben. Zudem betonte die junge Frau, stark alkoholisiert gewesen zu sein.

Der Vorfall ereignete sich in der Nacht auf Samstag, wurde aber erst in den Abendstunden bekannt, als ein Video von den Ereignissen auf sozialen Medien zu kursieren begann. Zu sehen ist, wie ein junger Mann eine zweite Person auf die Schulter nimmt, die dann die Fahne herunterreißt. Daneben steht in bester Stimmung eine junge Frau und zielt quasi mit ihren Händen in Richtung der Synagoge.

Aufgehängt worden war die Fahne im Gedanken an die Opfer der Terrorattacke der radikalislamischen Hamas gegen Israel, wie der Präsident der Israelitischen Glaubensgesellschaft Oskar Deutsch bekannt gab. Am Nachmittag wurde heute wieder eine Flagge gehisst. "Wir lassen uns nicht unterkriegen", schrieb er auf "X" (vormals Twitter).

📽️ Video | Israel-Fahne vor Wiener Synagoge abgerissen

Laut Polizei wollte ein Zeuge des Vorfalls in der Nacht auf Samstag eine Täterin anhalten. Bei dem Versuch soll er von mehreren unbekannten Personen davon abgehalten und von einem Mann geschlagen worden sein. Dadurch wurde er im Gesicht verletzt. Die Fahne konnte von inzwischen alarmierten Polizisten sichergestellt werden.

Kritik an fehlender Bewachung

Nicht nur in sozialen Medien sondern auch seitens der SPÖ, der NEOS und von Teilen des Koalitionspartners kam am Sonntag Kritik auf, warum nicht einmal die Hauptsynagoge Wiens rund um die Uhr bewacht wurde. Befeuert wurde die Diskussion durch einen Bericht des Kurier, wonach die Wiener Polizei eine entsprechende Weisung der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienste zurückgewiesen habe.

Wiens Polizeipräsident Georg Pürstl relativierte diese Darstellung am Sonntagnachmittag. Es habe nur eine einmalige Erfordernis für 24 Stunden aufgrund einer abstrakten Gefährdungslage gegeben. Diese habe man "auf effektivere und auf den Schutz gefährdeter Menschen, insbesondere auf den Schutz unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgelegte Maßnahmen abgeändert", heißt es in einer Aussendung der Wiener Polizei.

Karner verteidigt Verhalten der Polizei

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verteidigte am Sonntag das Verhalten der Exekutive, die bisher (zumindest sichtbar) nur zu den Öffnungszeiten der Synagoge präsent war. Der Polizei sei bewusst gewesen, dass die Gefahr für jüdische Einrichtungen derzeit besonders groß sei. Daher habe man Präsenz und verdeckte Präsenz erhöht. Vorrang sei aber zunächst der Schutz von Menschen u.a. vor jüdischen Schulen, Geschäften und Sporteinrichtungen gewesen.

Karner betonte auch, dass er sich mehrfach mit dem Präsidenten der Israelitschen Religionsgemeinschaft Oskar Deutsch ausgetauscht habe, weil hier enge Abstimmung wichtig sei. Auch Pürstl unterstrich, dass man nicht nur mit den für Staatsschutz und Nachrichtendienst Verantwortlichen sondern auch mit den mit Sicherheitsfragen befassten Personen der israelitischen Kultusgemeinde in engster Abstimmung sei.

Die Ermittlungen des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung liefen jedenfalls auf Hochtouren, betonte Pürstl. Karner zeigte sich zuversichtlich, die Täter "dingfest" machen zu können. Am Nachmittag gab es dann den ersten Fahndungserfolg. Die teil-geständige junge Frau wurde auf freiem Fuß angezeigt.

Kritik von mehreren Seiten

Offene Kritik bzw. Skepsis am Vorgehen der Polizei kam von mehreren Seiten. Der Schutz der jüdischen Gemeinschaft müsse mehr sein als eine Regierungsshow, kritisierte die SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur Sabine Schatz das Fehlen einer 24-Stunden-Bewachung. Die NEOS-Sprecherin für Innere Sicherheit Stephanie Krisper forderte eine rasche und lückenlose Aufklärung und Konsequenzen, sieht sie doch sowohl bei Karner als auch bei Pürstl Untätigkeit.

Allgemeiner fiel die Kritik der FPÖ an Karner aus, da dieser keinen Asyl-Stopp veranlasse. Jeder Islamist, der unter dem Deckmantel Asyl nach Österreich komme, stelle eine potenzielle Gefahr dar, befand Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Doch selbst beim Koalitionspartner ist man mit dem Schutz der jüdischen Einrichtungen offenbar nicht zufrieden. Der Abgeordnete David Stögmüller verwies auf die Unterstützung des Bundesheers für den 24-Stunden-Schutz jüdischer Einrichtungen. Er wolle Aufklärung, warum dies nicht passiere.

Vorfall sorgt für Entsetzen

Einig war man sich in der Politik in der Verurteilung der Tat. Für Antisemitismus und Israel-Hass sei kein Platz in der Gesellschaft. Er gehe davon aus, dass die Täter rasch ausgeforscht werden, meinte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist es "vollkommen inakzeptabel", dass es in der aktuellen Situation zu einer "derartigen antisemitischen Provokation" vor dem Wiener Stadttempel gekommen ist. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verurteilte den Vorfall "auf das Schärfste", Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einer schrecklichen Attacke. NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger hofft auf "entsprechende strafrechtliche Konsequenzen". (APA)