Neues Abenteuer

„Die weiße Iris“: Im neuen „Asterix“-Band ist alles beim Alten

Dorf-Chef Majestix treibt das Wohlfühlgesäusel in eine veritable Ehekrise.
© Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo

In ihrem neuesten Abenteuer „Die weiße Iris“ trotzen die unbeugsamen Gallier Asterix und Obelix den besonders achtsamen Spielformen des Zeitgeistes. Kann das gut gehen? Geht so.

Innsbruck – Das kommt einem dann doch sattsam bekannt vor: Die Kampfmoral der römischen Legionäre schwindet – und auch das Belagern eines kleinen gallischen Dorfs schlägt langsam aufs Gemüt. Und ins Geld geht es auch. Da ist guter Rat teuer. Vor Jahrzehnten schickte Cäsar intrigante Streithansel („Streit um Asterix“, 1973) oder Turbokapitalisten („Obelix GmbH & Co. KG“, 1978) gen Gallien – um die Unbeugsamen zu brechen.

Diesmal ist es ein Wohlfühlphilosoph, der die verschworenen Widerständler aus der Ruhe bringen soll. Visuversus, so heißt der Gesandte Cäsars. Er predigt Achtsamkeit, drischt Phrasen und faselt in Floskeln: „Verschlossene Türen sind Einladungen, andere zu öffnen.“ Warum kämpfen, wenn man es sich auch mit Lorbeertee am Feldbett fein machen kann? Warum Wildschwein fressen – oder gar in Straußenfett geschmorte Wachteln –, wenn selbst Verleihnix’ gut abgehangener Fisch ungleich bekömmlicher ist? Und geschimpft soll auch nicht mehr werden, lehrt Visuversus: „Positive Formulierungen sind Verunglimpfungen vorzuziehen“, weiß der Besserwisser.

Kann das gut gehen, wenn man den berühmtesten Galliern, wenn man Asterix und Obelix, Majestix, Miraculix und Troubadix das Ungestüme, Unkorrekte und den Übermut austreibt? „Die weiße Iris“, Asterix-Band Nummer 40, spielt es durch. Und was kommt raus? Es ist wie immer. Die große Geschichte ergibt gerade so viel Sinn, dass die kleinen Gags nicht allzu sehr darunter leiden.

Gallische Gewissheiten werden in „Die weiße Iris“ fraglich.
© Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo

Weltweite Startauflage: Fünf Millionen Exemplare

Natürlich ist „Die weiße Iris“ ein Ereignis. Das sind neue Asterix-Abenteuer immer: Weltweite Startauflage sind fünf Millionen Exem­plare, im deutschen Sprachraum sind es etwa 1,7 Millionen Hefte, die dieser Tage verkauft werden. Die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Verkaufsstart waren außerordentlich: Vorab lesen durfte man „Die weiße Iris“ – streng beäugt und bestens betreut – in einem exklusiven Separee auf der Frankfurter Buchmesse. Angesichts dieses Aufhebens und der ganzen Geheimniskrämerei kommt das neue Abenteuer dann doch recht unaufgeregt daher – nach dem dann doch etwas überladenen „Asterix und der Greif“, in dem unter anderem Michel Houellebecq mehr als einen Gastauftritt hat, ist das wahrlich kein Schaden.

Nach fünf von Jean-Yves Ferri verfassten Bänden debütiert mit „Die weiße Iris“ Fabcaro als neuer Asterix-Autor. Fabcaro, der eigentlich Fabrice Caro heißt, hat sich in Frankreich mit surrealen Szenarios einen Namen gemacht. Das Album „Zaï zaï zaï zaï“, das ihn 2015 bekannt machte, etwa handelt vom heillosen Durcheinander, das eine vergessene Supermarkt-Kundenkarte auslösen kann. Gegen diese Verwerfungen nimmt sich sein erster Asterix dann doch recht harmlos aus – auch die satirischen Spitzen auf den Zeitgeist, auf Self Care und Selbstoptimierung bohren sich nicht allzu tief ins Fleischersatzprodukt. Lustig ist „Die weiße Iris“ – lustig und fast schon herausfordernd harmlos. Und ganz wunderbar gezeichnet: Didier Conrad hat 2013 den Stift vom 2020 verstorbenen Asterix-Miterfinder Albert Uderzo übernommen – und erlaubt sich inzwischen sogar kleine stilistische Eigenheiten: Dorfchef Majestix etwa, den das ganze Wohlfühlgesäusel in eine veritable Ehekrise treibt, schaut zerzauster aus als in früheren Heften.

Ausgelassen wird in „Die weiße Iris“ wenig: Das Piratenschiff wird, diesmal eher ungewollt, in wenigen Panels versenkt, Gutemines Bruder, der Großstadtschnösel Homöopatix, der zuletzt in „Die Lorbeeren des Cäsar“ (1974) auftauchte, schaut erneut vorbei, die Kunstschickeria in Lutetia wird liebevoll abgewatscht und auf dem Weg ins Theater kommen Obelix wenig erfreuliche Erinnerungen an „Asterix und der Kupferkessel“ (1972) in Sinn. Doch diesmal wird keine avantgardistische Nabelschau gegeben, sondern Haudraufkomödie: Der weißen Iris folgt das blaue Veilchen (Hut ab vor Übersetzter Klaus Jöken, der selbst hintersinnigere Wortspiele adäquat ins Deutsche holte). Auch im neuen „Asterix“ ist alles beim Alten.

Fabcaro/Didier Conrad: Die weiße Iris. Egmont/Ehapa, 48 Seiten, 8,50 Euro (broschiert) oder 13,90 Euro (Hardcover).

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