Buchvorstellung

Den Tod im Nacken: Neue Erzählung von Peter Handke

Peter Handke.
© AFP/TT

Traum und Trauma: Peter Handkes neue Erzählung „Die Ballade des letzten Gastes“.

Innsbruck – Es ist der Trauergesang eines herumirrenden Einzelgängers, dem der Tod im Nacken sitzt: Literaturnobelpreisträger Peter Handke legt mit fast 81 Jahren „Die Ballade des letzten Gastes“ vor. Ein tiefsitzendes Trauma wird darin zum Ausgangspunkt einer traumartigen Erzählung von Familie, Verlust und Natur.

Die Haupt- und Erzählfigur Gregor kehrt zu Beginn des am Montag erscheinenden Buches nach Jahren in der Ferne für einen Besuch in die Heimat zurück. Doch auf dem Weg zu Eltern, Schwester und deren Baby erfährt er, dass sein Bruder Hans als Fremdenlegionär bei einem Einsatz getötet wurde. Gregor bringt es nicht über sich, seiner Familie davon zu erzählen. Er nimmt Reißaus, treibt sich herum, zunächst in Hinterzimmern diverser Lokale und in Vorstadtkinos, dann zieht es ihn ziellos hinaus ins Freie. Den Bezug zur „Odyssee“ weist Handkes neue Erzählung schon in einem vorausgeschickten Motto aus.

Die Handlung wurzelt in einer Familiengeschichte, die in Handkes Werk immer wieder anklingt: Sein Onkel Gregor verschwieg im Zweiten Weltkrieg während seiner Fronturlaube den Tod des Bruders. Der Hans in der „Ballade“ trägt aber nicht nur Züge des Gefallenen. Er erinnert auch an Handkes bereits verstorbenen Halbbruder, der ebenfalls Hans hieß.

Menschliches und Zwischenmenschliches wird in der „Ballade des letzten Gastes“ eher skizziert als ausformuliert. Das Erdenschwere gestaltet Handke federleicht in Andeutungen, die sich, ja, auch entschlüsseln lassen, vornehmlich aber erfühlt werden wollen. Bei seinen Beschreibungen von Pflanzen, Landschaft, Wind und Wetter erweist sich Handke einmal mehr als messerscharfer, durchaus gewitzter Beobachter. Es sind grandiose Sätze, die er für die Umwelt findet – und die er, wie leuchtendes Herbstobst, ins Dickicht des Textes streut.

Aber auch die Natur bringt Gregor keine Ruhe. Auch dort lauert der Tod. Am Horizont braut sich was zusammen. Befreiung, oder, wenn man das große Wort nicht scheut, Erlösung liegt hier nur in der sprachlichen Beschwörung: Auf den letzten Seiten klingt – unvermittelt und überwältigend schön – dann doch eine zarte Ahnung von Hoffnung an. (jole, APA, dpa)

Erzählung

Peter Handke: Die Ballade des letzten Gastes. Suhrkamp, 185 S., 25,50 Euro.

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