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UNO: Angriff auf Flüchtlingscamp womöglich Kriegsverbrechen

Israelischer Angriff auf den Gazastreifen
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Das UNO-Menschenrechtsbüro schließt nicht aus, dass Israels Angriff auf ein Flüchtlingslager im Gazastreifen ein Kriegsverbrechen darstellt. "Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und des Ausmaßes der Zerstörung (...) sind wir ernsthaft besorgt, dass es sich um unverhältnismäßige Angriffe handelt, die Kriegsverbrechen darstellen könnten", erklärte das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte auf X. Bei dem Angriff waren am Dienstag rund 47 Menschen getötet worden.

Das von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium in Gaza berichtete am Mittwoch von einem erneuten Angriff der israelischen Armee auf das Flüchtlingslager Jabalia. Dabei seien "Dutzende" Menschen getötet und verletzt worden. Israelische Kampfflugzeuge hätten das Lager am Mittwoch bombardiert.

Israelische Streitkräfte erklärten am Mittwoch bei ihrem zweiten Angriff auf das Flüchtlingslager Jabalia innerhalb von zwei Tagen einen weiteren Hamas-Kommandanten getötet. Kampfjets hätten einen Kommando- und Kontrollkomplex der Hamas in Jabalia "auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen" angegriffen und den Leiter der Panzerabwehrraketeneinheit der islamistischen Gruppe, Muhammad Asar, getötet.

Israels Armee kann eigener Darstellung noch nicht sagen, wie viele Zivilisten bei ihren Angriffen im Flüchtlingslager Jabalia getötet wurden. Die im Gazastreifen herrschende Hamas verschanze sich dort absichtlich hinter ziviler Infrastruktur, sagte Militärsprecher Daniel Hagari am Mittwoch vor Journalisten. "Sie wollen dieses Bild der Zerstörung."

Hagari sprach von einem Dilemma für die Armee. Einerseits wisse sie, dass sich in der Gegend noch immer Zivilisten aufhielten - obwohl das Gebiet aufgrund der Präsenz der Hamas als "rote Zone" ausgewiesen sei. Zugleich sei die Aktivität der Hamas in dem Flüchtlingslager für die israelische Armee eine Bedrohung, auf die sie reagieren müsse.

Aufnahmen zeigen die verheerenden Folgen des Angriffs, bei dem Armeeangaben zufolge auch Tunnel der Hamas einstürzten und einen Krater hinterließen. Unter den Opfern sind nach palästinensischen Angaben viele Zivilisten. Nach Darstellung der israelischen Armee galt der Luftangriff einem Drahtzieher des Massakers an israelischen Zivilisten am 7. Oktober.

Die Kämpfe im Gazastreifen richteten sich aber nicht gegen die dortige Zivilbevölkerung, betonte Hagari. Er appellierte deshalb erneut an die Menschen in Jabalia und anderen Gebieten im Norden des Küstengebiets, sich in den Süden zu begeben. Die Armee schaffe dafür weiterhin "sichere Korridore". Auch im Süden kam es bereits zu israelischen Luftangriffen. Der Bereich sei keine "sichere Zone", betonte er. "Aber es ist ein sichererer Ort als jeder andere Ort in Gaza."

Zahlreiche Staaten kritisierten den Angriff auf das Flüchtlingslager. Man sei "entsetzt über die zivilen Opfer der Bombardierung in Jabalia", schrieb der spanische Außenminister Juan Manuel Albares am Mittwoch auf der Plattform X (Twitter). Das humanitäre Völkerrecht müsse immer geachtet werden. Auch Irlands Außenminister Micheál Martin zeigte sich erschüttert. "Ich bin zutiefst schockiert über die hohe Zahl an Opfern nach der Bombardierung auf das Jabalia-Flüchtlingscamp in Gaza", sagte Martin einer Mitteilung am Mittwoch zufolge. Irland habe deutlich gemacht, dass Israels Recht auf Selbstverteidigung im Rahmen des internationalen humanitären Völkerrechts bleiben müsse.

Auch in der arabischen Welt löste der Vorfall scharfe Kritik aus. Jordanien beschloss, seinen Botschafter in Israel zurück zu berufen. Jordanien unterzeichnete 1994 einen Friedensvertrag mit Israel und war damit das zweite arabische Land, das diplomatische Beziehungen zu Israel aufnahm. Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian drohte Israel und den USA: "Wenn der Krieg weitergeht, wird die Situation nicht so bleiben."