Eine Fundgrube fürs Verstehen finsterer Verse
Georg Trakls einzige Dichterlesung fand 1913 im Konzertsaal des Innsbrucker Konservatoriums statt. Dort wird nun das neue Trakl-Handbuch präsentiert.
Innsbruck – Georg Trakls Leben war kurz. 27 war er, als er seinem Leben, schwer traumatisiert von den Erfahrungen als Sanitäter an der Weltkriegs-Front in Galizien, ein Ende setzte. Ein schlicht mit „Gedichte“ betiteltes Buch erschien zu seinen Lebzeiten. Ein zweites, „Sebastian im Traum“, kommt erst 1915 heraus – ein Jahr nach dem Tod des Dichters. Auch sein Nachlass, ein beachtlicher Teil davon liegt im Innsbrucker Brenner-Archiv, ist nicht wirklich umfangreich. Zeitgenossen schätzten Trakls Lyrik. „Ich verstehe sie nicht; aber ihr Ton beglückt mich. Es ist der Ton der wahrhaft genialen Menschen“, befand etwa Ludwig Wittgenstein. Wittgenstein lies Trakl wenige Monate vor seinem Tod 20.000 Kronen zukommen. Trakl hat das Geld nicht abgehoben. Die wenigen, die Georg Trakl, geboren 1887 in Salzburg und ab den 1910er-Jahren in Innsbruck fremd, besser kannten, beschreiben ihn als schwierig.
Als dunkler Poet von Weltrang wurde Trakl erst nach 1945 entdeckt. Seither lässt sich der Einfluss des Solitärs, der obwohl bisweilen als Expressionist geführt in keine literaturhistorische Schublade passen will, kaum überschätzen. Der jüngst mit dem Literaturnobelpreis gewürdigte Norweger Jon Fosse bezieht sich in seinen Texten immer wieder auf Trakl; Lutz Seiler, der morgen Samstag mit dem diesjährigen Büchner-Preis ausgezeichnet wird, inspirierte Trakl-Lektüre zu seinen ersten literarischen Arbeiten. 2014 erschien die aufschlussreiche Textsammlung „Trakl und wir“, in der fünfzig ganz gegenwärtige Stimmen, von Durs Grünbein und Ulla Hahn bis Jan Skudlarek, das Gespräch mit Trakls finsteren Versen suchten. Mitherausgeber des Bandes war Mirko Bonné, der auch im feinen Lyrikband „Traklpark“ (2013) sein Schreiben mit dem Trakls in Beziehung setzte.
Georg Trakl selbst trat als Dichter zeit seines kurzen Lebens ein einziges Mal öffentlich in Erscheinung: am 10. Dezember 1913 – also ziemlich genau vor hundertzehn Jahren – im damals neu errichteten Saal des Innsbrucker Musikvereins, dem heutigen Konzertsaal des Tiroler Landeskonservatoriums neben dem Ferdinandeum. Der Abend, Trakl teilte sich die Bühne mit dem heute vergessenen Autor Robert Michel, dürfte den Dichter nicht zuletzt zum Gedicht „Ein Winterabend“ inspiriert haben – neben „Grodek“ eine seiner bekanntesten Arbeiten.
Nächsten Dienstag wird am Ort von Trakls einziger Lesung das neue „Trakl-Handbuch“ vorgestellt. Herausgegeben von Philipp Theisohn, Germanist an der Uni Zürich und Direktor des dortigen Zentrums für Literarische Gegenwart, versammelt es 105 wissenschaftliche Aufsätze, die Leben und Werk, abstecken und verkontextualisieren und Trakls Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte nachzeichnen. Das Handbuch, keine Frage, ist ein Fachbuch – es beantwortet Fragen, die sich wohl nur ExpertInnen stellen. Und es ist, auch für lediglich Interessierte, eine Fundgrube – Trakls frühe journalistische Texte werden genauso detailliert erörtert wie seine beiden Dramen „Don Juans Tod“ (1908) und „Blaubart“ (1910), einzelne Motive – von Farbe über Rausch bis Zeit – und einzelne Vertonungen seiner Gedichte.
Fachbuch Philipp Theisohn (Hg.): Trakl-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. J. B. Metzler, 710 Seiten, 79,99 Euro (digital)/102,79 Euro (gebunden).
Präsentation mit Musik: Dienstag, 7. November im Konzertsaal des Tiroler Landeskonservatoriums. Beginn: 19 Uhr.