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Max Rieger genießt als All diese Gewalt den Schwebezustand

Für den Musiker geht es darum, Widersprüche auszuhalten
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Festivalsaison, eine erst kürzlich abgeschlossene Tour mit seiner Band Die Nerven - und nun ein neues Soloalbum. Dieses Jahr hatte der in Berlin lebende Produzent Max Rieger einiges auf dem Zettel. Trotzdem fühlt sich der 30-Jährige sehr entspannt, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagt. "Erstaunlicherweise fand ich es sehr unstressig bis jetzt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass es noch großartig stressig wird."

Am Freitag bringt der Musiker mit seinem Soloprojekt All diese Gewalt sein viertes Album "Alles ist nur Übergang" heraus. Die Platte mit insgesamt zehn Songs sei "einfach wie von selbst entstanden", erzählt Rieger, der unter anderem Musik für Künstler wie Drangsal ("Zores") oder Casper ("Alles war schön und nichts tat weh") produziert.

Im Gegensatz zu seinem vorigen Album "Andere", an dem er rund vier Jahre lang gearbeitet habe, seien die Songs dieses Mal innerhalb von zwei Monaten entstanden. Und das, obwohl er nach "Andere" eigentlich keine neue Platte geplant hatte. "Nach meinem letzten Album hatte ich das Gefühl: Ich brauche dieses Chaos und 'Außerweltliche', was Konzerte und Musikmachen mit sich bringen, nicht mehr und ich will es nicht mehr in meinem Leben haben", sagt Rieger, der ein Studio in Berlin hat. Nach einem Festivalauftritt im Jahr 2021 sei aber eine Art Damm gebrochen. "Es sind alle Lieder auf einmal rausgefallen. Es gab kaum Ausschussmaterial."

"Alles ist nur Übergang" beschreibt dabei nicht nur die Stimmung des Albums, sondern auch eine Art Mantra für Rieger. Es gehe darum, beim Produzieren den Weg als das Eigentliche zu begreifen - ein Learning, das er aus "Andere" mitgenommen hat. Dort habe er den Entstehungsprozess nicht genießen können. "Es ging immer nur darum, das Album fertigzustellen."

Dieses Mal sei es viel einfacher gewesen, Leerstellen im Songschreiben und in den Sounds zuzulassen. Er sei nicht so hart zu sich selbst gewesen. "Ich fand es einfach interessant, die Dinge nicht scharf zu zeichnen, sondern sie ein bisschen im Unklaren zu belassen", sagt Rieger. Die Songs klingen dementsprechend etwas wolkiger und offener, stimmen oft melancholisch. Zum Synthesizer kommen mal harte und verwaschene Gitarrensounds hinzu, mal sanfte Melodien, zum Beispiel im Track "zu Staub werden".

Einen Übergang zwischen hart und weich zeichnet der Musiker im Song "21 Gramm". Dort geht es um den Zustand der Seele, die 21 Gramm oder auch mal 100.000 Tonnen wiegen kann. Ist das nicht ein Widerspruch? "Es ist auf jeden Fall ein Stück der Widersprüche, die sich aber meiner Meinung nach nicht gegenseitig widersprechen. Ich finde auch, dass sich das musikalisch wiederfindet, weil der Song gleichzeitig sehr weich und auch sehr hart ist", sagt der Künstler dazu. Am Ende gehe es darum, den Widerspruch auszuhalten.

Generell findet er, das Album müsse möglicherweise diesen Zustand der Schwebe gar nicht verlassen. Und sowieso lasse sich der Titel "Alles ist nur Übergang" auf das ganze Leben übersetzen, betont Rieger. "Wenn man sich dieses Mantra immer und immer wieder aufsagt, dann lernt man mehr die Dinge am Wegesrand zu schätzen und den Weg selbst."

(Das Gespräch führte Sabrina Szameitat/dpa)

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