Humanitäre Lage spitzt sich zu

Hilfe in Gaza wegen Benzinmangels unmöglich, Retter können Notrufe nicht mehr beantworten

Treibstoffmangel macht Hilfe und Rettung im Gazastreifen teilweise unmöglich.
© IMAGO/Saeed Jaras \ apaimages

UNRWA-Generalkommissar Lazzarini rief alle Parteien dazu auf, Treibstoff zur Verfügung zu stellen und humanitäre Hilfe nicht für politische oder militärische Zwecke zu missbrauchen.

Amman – Rettungskräfte und Krankenwagen im Gazastreifen können wegen der Kämpfe und wegen Treibstoffmangels nach UN-Angaben vielfach keine Notrufe mehr annehmen. Die Lage habe "Retter und Krankenwagen in diesen Gebieten zum Stillstand kommen lassen", teilte das UN-Nothilfebüro OCHA in der Nacht zum Mittwoch mit. Viele Hilferufe etwa wegen Familienangehöriger, die nach Angriffen unter Trümmern gefangen seien, bleiben demnach unbeantwortet. Der Palästinensische Rote Halbmond teilte mit, die Hilfsorganisation habe "Hunderte Anrufe" erhalten mit der Bitte, Tote und Verletzte zu transportieren. Die Mitarbeiter könnten diese Opfer aber nicht erreichen.

Wegen Treibstoffmangels könnte die humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen nach Einschätzung des UNO-Hilfswerkes für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) bald zusammenbrechen. Das Treibstoffdepot sei leer, sagte UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini am Mittwoch. „Es ist ganz einfach. Ohne Treibstoff wird die humanitäre Operation im Gazastreifen zu Ende gehen. Viele weitere Menschen werden leiden und wahrscheinlich auch sterben."

„Das UNRWA hat bereits vor drei Wochen wegen der Treibstoffsituation Alarm geschlagen und vor den sich schnell erschöpfenden Vorräten und den Auswirkungen auf die lebensrettenden Maßnahmen gewarnt. Seitdem haben wir die Verwendung von Treibstoff stark rationiert und in enger Abstimmung mit den israelischen Behörden auf bereits vorhandene, begrenzte Mengen zugegriffen, die in einem Depot innerhalb des Gazastreifens gelagert sind. Das Depot ist jetzt leer", sagte der UNRWA-Generalkommissar.

Es ist unglaublich, dass die humanitären Organisationen um Treibstoff betteln müssen.
Philippe Lazzarini, UNRWA-Generalkommissar

Seit Beginn des israelischen Krieges gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen werde Benzin als Waffe eingesetzt. Lazzarini rief alle Parteien dazu auf, Treibstoff zur Verfügung zu stellen und humanitäre Hilfe nicht für politische oder militärische Zwecke zu missbrauchen. „Es ist unglaublich, dass die humanitären Organisationen um Treibstoff betteln müssen", sagte Lazzarini.

Lazzarini äußerte sich nach Berichten, wonach Israel die Lieferung von 24.000 Liter Dieselkraftstoff für UNO-Lastwagen im Gazastreifen genehmigt habe. Der Treibstoff sei nur für UNO-Lastwagen und nicht für Krankenhäuser bestimmt, sagte eine mit den Plänen vertraute Person. Die USA hätten die UNO unter Druck gesetzt, den Treibstoff anzunehmen. Weder das israelische Militär noch die Terrororganisation Hamas kommentierten den Bericht.

Unterdessen schürten auch heftige Regenfälle im Gazastreifen die Sorgen vor einer weiteren Verschärfung der humanitären Lage. „Unsere Unterkunft ist nicht geeignet, um darin im Winter zu leben", sagte die Palästinenserin Hiba Saied, die mit ihrer Familie in ein UNRWA-Flüchtlingslager im Süden geflohen war. Mit ihrer 30-köpfigen Familie, darunter Söhne, Töchter, Enkelkinder, lebe sie in einem notdürftig errichteten Zelt auf engstem Raum. „Unsere gesamte Kleidung wurde vom Regenwasser durchdrängt", sagte al-Saied und rief die internationale Gemeinschaft zu Hilfe auf. „Niemand kann eine solche katastrophale Situation ertragen."

Deutliche Zunahme des Niederschlags im Winter zu erwarten

Am Dienstag war es zu den ersten größeren Regenfällen seit Beginn des Krieges am 7. Oktober im Gazastreifen gekommen. Auf Videos in sozialen Netzwerken waren überschwemmte Straßen zu sehen und Menschen, die versuchten, zusammengebrochene Zelte wieder aufzubauen. In den Wintermonaten wird mit einer deutlichen Zunahme des Niederschlags gerechnet, der in Gaza bereits vor dem Krieg häufig zu Überschwemmungen führte.

„Der Winter bedeutet, dass wir sehr leiden werden, da wir auch keine Decken haben", sagt die Palästinenserin Jenin Amed, die vor einem Monat mit ihrer Familie aus der Stadt Gaza in den Süden geflohen war. Ihr Mann sei während des Regens komplett nass geworden, habe aber keine Wechselkleidung. „Wir haben unser Haus in Gaza ohne Geld, Kleidung oder Essen verlassen."

Knapp 1,6 Millionen der rund 2,2 Millionen Einwohner des Küstengebiets sind nach UNO-Angaben infolge der Kämpfe zwischen dem israelischen Militär und der Terrororganisation Hamas auf der Flucht. (APA/dpa/Reuters)

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