Zumthors Klanggebäudesiedlung bei Wien Modern eröffnet
Musikalische Kuratoren, die nicht aus dem musikalischen Kosmos kommen. Mit diesem Konzept hat das Neue-Musik-Festival Wien Modern mittlerweile eine neue Schiene etabliert, mit der man ungewohnte Einblicke bietet. Während im Vorjahr Malerfürst Georg Baselitz für die Auswahl verantwortlich zeichnete, ist es heuer der Schweizer Stararchitekt Peter Zumthor. Am Mittwochabend öffnete sich im Musikverein erstmals die thematische Wundertüte mit einem durchaus melancholischen Zug.
So hatte der 80-jährige Pritzker-Preisträger Zumthor als Auftakt zum Reigen von 13 Konzerten und acht Werkstattgesprächen an verschiedenen Örtlichkeiten Friedrich Cerhas Frühwerk "Fasce" gesetzt - eine Würdigung, die angesichts des Todes des Komponisten im heurigen Februar zum musikalischen Gedenken wurde. Dass sich der Baumeister für das im Kern 1959 entstandene "Fasce" entschied, verwundert dabei nicht, ist das Werk doch von einem architektonischen Zugang gekennzeichnet. Klangtürme und -täler dominieren die große Orchesterarbeit, Crescendi ohne Kulminationspunkt sind kontrastiert mit Eruptionen ohne Vorwarnung. Die klassische Besetzung des RSO unter Bas Wiegers wird dabei ergänzt um Saxofone oder gar einen Holzhammer.
Dieses Spektrum ungewöhnlicher Percussioninstrumente reizt Rebecca Saunders mit ihrer neuen Arbeit "Wound" noch weiter aus, die Cerha gegenüberstand und erstmals in Österreich erklang. Die 55-jährige Britin setzt hier das Klangforum Wien gleichsam als Solistenformation dem RSO entgegen. Saunders Arbeit, die sich in ebenfalls die Epidermis adressierende Stücke wie "Scar" oder "Skin" einreiht, versammelt gleich fünf Percussionisten auf der vergrößerten Bühne des Goldenen Musikvereinssaals, auf der sich auch zwei Klaviere oder eine E-Gitarre einfanden.
Saunders denkt mehr in Blöcken, im Dialog und damit in einer klareren Dramaturgie als Cerhas sich überlagernde Tonflächen. In der ausufernden Besetzung stehen dabei Klangballungen fragilen Momenten des Innehaltens gegenüber, dominiert ein stetes Werden, selten ein Sein. "Wound" bleibt dabei nicht die einzige Tonkathedrale, die Saunders im Zumthor-Kosmos errichtet, ist die Tonsetzerin doch mit zwei weiteren Werken ("Hauch" und "Yes") im Reigen vertreten, der nun bis 24. November die Freunde architektonisch abgezirkelter Klanggebäude zum genauen Hören lädt.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)