Napoleon im Film: Der kleine Korse und das Kino
Charlie Chaplin, Stanley Kubrick, Marlon Brando: An Napoleon sind die Größten gescheitert. Nun kommt Ridley Scotts neuer Feldherren-Film ins Kino.
Innsbruck – Napoleon und das Kino. Das ist eine komplizierte Beziehung. Große Regisseure haben sich – intensiv, aber allzu oft glücklos – am korsischen Feldherrn und französischen Kaiser abgearbeitet. Diesen Freitag startet Ridley Scotts monumentale Annäherung an Napoleon in den Kinos. In 160 Minuten werden Aufstieg und Fall des Taktikers und Machtmenschen nachgezeichnet. Joaquin Phoenix spielt Napoleon als brüchigen Berserker, bisweilen beinahe tollpatschig und durchwegs undurchschaubar. Er gilt einmal mehr als Oscarkandidat.
🎬 Trailer | Napoleon (2023) von Ridley Scott
Demnächst soll beim Streamer Apple TV+, der „Napoleon“ – Gesamtbudget: 150 Millionen US-Dollar – mitfinanziert hat, auch ein vierstündiger Director’s Cut des Films online gehen. Einen offiziellen Starttermin gibt es noch nicht.
Napoleon beschäftigt Filmschaffende schon seit den Anfängen der Kinogeschichte. Ein Überblick.
Der Tramp und sein Traum
Auf dem Höhepunkt seiner kreativen und kommerziellen Kraft wollte Charlie Chaplin „le petit caporal“ (der für die damalige Zeit mit 1,68 Meter gar nicht so klein war) spielen. 1931 gelang Chaplin mit „Lichter der Großstadt“ der Sprung vom Stumm- zum Tonfilm. In England las er einen Roman über Napoleons Verbannung auf St. Helena – und machte komödiantisches Potenzial aus. Wirklich weiter kam er mit dem Drehbuchschreiben nicht. Ein Entwurf aus dem Jahr 1937 ist erhalten: „Rückkehr von St. Helena“ handelt von Napoleon und seinem Doppelgänger. Der Doppelgänger versauert im Exil. Napoleon lebt unerkannt als Straßenhändler in Paris – wo er, vom Kriegsherr zum Pazifisten geworden, von einem in Frieden vereinten Europa träumt. Der Film kam nicht zu Stande. Aber die Doppelgänger-Idee wanderte weiter – und Chaplin knöpfte sich einen ungleich gegenwärtigeren Tyrannen vor: 1941 drehte er „Der große Diktator.
Der „beste Film“, der nie gedreht wurde
Gut 30 Jahre nach Chaplin nahm Stanley Kubrick „Napoleon“ in Angriff – zum ersten Mal. „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) lief gerade in den Kinos – und Kubrick vergrub sich in seiner Bibliothek. 500 Bücher über Bonaparte soll er dort gesammelt und studiert haben. 15.000 Fotos möglicher Drehorte gab er in Auftrag – und ein Vertrag mit der rumänischen Armee, die etwa 50.000 Statisten für die großen Schlachtenszenen abstellen sollte, lag unterschriftsreif vor. Dann zog das Studio MGM den Stecker – Sergei Bondartschuks Napoleon-Film „Waterloo“ war gerade epochal gefloppt. Kubrick machte weiter. Jahrelang. Er dachte an Oscar Werner als Napoleon, dann an David Hemmings, dann an Peter O’Toole, Jean-Paul Belmondo und Peter Ustinov – und schließlich an Jack Nicholson. Möglichen Geldgebern machte er den Film mit einer Absichtserklärung schmackhaft: „Es ist unmöglich zu sagen, was ich tun werde, außer, dass ich beabsichtige, den besten Film aller Zeiten zu drehen.“ Viel von Kubricks Napoleon-Recherche floss schließlich in seinen Historienfilm „Barry Lyndon“ (1975) ein.
Hoffen auf Spielberg
Stanley Kubrick starb 1999. Sein „Napoleon“-Skript blieb heißbegehrt. Steven Spielberg, der bereits Kubricks Projekt „AI“ fertigstellte, hat es sich schon vor Jahren gesichert. Eine 7-teilige TV-Serie wolle er daraus machen, sagte er heuer bei der Berlinale. Kubricks Nachlassverwalter haben das Projekt abgenickt. Aktueller Stand: „in Entwicklung“. Laut Informationen US-amerikanischer Branchenmedien dürfte auch Regisseur Cary Joji Fukunaga („James Bond – Keine Zeit zu sterben“) an dem Projekt beteiligt sein.
Ein fast vergessenes Meisterwerk
1926 drehte der französische Kinopionier Abel Gance einen Bonaparte-Film. Fünf Stunden dauert sein „Napoleon“. Es gibt Farb- und erste 3D-Experimente, eine mit drei Kameras gleichzeitig gefilmte und von drei Projektoren gleichzeitig abgespielte Schlachtszene für Superbreitwandkinos. Das Pariser Premierenpublikum war begeistert. Für die kommerzielle Auswertung wurde der Film aber zusammengestutzt – und floppte. „Napoleon“ erzählt nur den Aufstieg des späteren Kaisers. Die geplante Fortsetzung gab es nie. Francis Ford Coppola machte sich in den 1970er-Jahren für die Restaurierung des Films stark. 1981 wurde „Napoleon“ als Meisterwerk wiederentdeckt. Gance starb wenig später. Inzwischen wurde der Film auch digital restauriert.
🎬 Trailer | Napoleon (1926) von Abel Gance
Der dekorative Imperator
Spielen wollte Marlon Brando Napoleon nicht. Er musste. Sonst hätte ihm eine Vertragsstrafe in Millionenhöhe gedroht. Das war in den 1950er-Jahren selbst für einen Star unbezahlbar. Also übernahm Brando den Part in „Désirée“ (1954). Regisseur Henry Koster habe sich nur für Uniformen und nicht für Geschichte interessiert, schreibt Brando in seiner Autobiografie. Auch Brandos Interesse hielt sich in Grenzen: Sein Napoleon ist überwiegend dekorativ – wie ein Ölgemälde.