Vitaseks "Spätlese" verbindet Nostalgie und Jetztzeit
Er tänzelte in roten Sneakern zu den Klängen von David Bowies "Let's Dance" auf die Bühne des Wiener Rabenhof Theaters, und es blieb keineswegs der einzige nostalgische Rückblick in diesen gut zwei Stunden. Andreas Vitasek hat mit "Spätlese" ein neues Programm im Angebot, bei dem er sich ganz auf seine Stärken besinnt: kleinteilige Beobachtungen großer Zusammenhänge voller Humor und augenzwinkerndem Schmäh, manchmal auch bitterböse.
Dementsprechend sah sich das Premierenpublikum am Dienstagabend den Klimaklebern ebenso gegenüber wie Vitaseks rein hypothetischer Angst vorm leeren Akku des Elektroautos, wurden aus der Boomer-Generation Buh-Männer und Buh-Frauen und der Burgenländer-Witz aufgrund kultureller Aneignung kurzerhand abgesagt. Denn: "Ich erzähl' keine Witze mehr", drohte die 67-jährige Kabarettlegende - aber zum Glück war das nur ein Witz.
Nicht fehlen durfte natürlich die Pandemie (war da was?), wobei Vitasek in Wien immer noch die 3G-Regel ausmachte: "Geh bitte, geht scho und geht's scheißen!" Nein, natürlich müsse man froh sein, dass nun Normalität wieder eingekehrt ist, dass man in der U-Bahn auf Tuchfühlung gehen kann und ein Huster keine schreckensgeweihte Blicke mehr hervorruft. Andererseits: Was ist heutzutage schon normal? Geht es nach dem Kabarettisten, sicher nicht penetrante bis absurde Werbungen für Mittel gegen Erektionsprobleme oder nervige Papageien in Möbelhäusern.
Am nachhaltigsten zündeten Vitaseks Pointen immer dann, wenn sie im Mantel der Melancholie verpackt waren. Dafür hat er immer noch ein Händchen, egal ob es um eine daumengroße Mutter, die mittlerweile im Kopf lebt, ging oder einen gottgleichen Bob Dylan, der an der Himmelstür wartet. Das Älterwerden und die Trubel der Jetztzeit behielten im Vergleich zur politischen Schlagseite eindeutig die Oberhand, während politische Korrektheit gerne an die Wand gefahren wurde - nicht immer, aber wenn, dann ordentlich.
Und was wäre eine nostalgisch gefärbte "Spätlese" ohne "Zippe-Zappe": Auch die Tod-Handpuppe hatte wieder ihren Auftritt, wiewohl zu ihrem Unmut erst als Zugabe, was der Sensenmann kurzerhand als "Frechheit" titulierte. Am Ende bekam das zwar charmante, aber doch ziemlich vorlaute Bürschchen gar nicht das letzte Wort, das war einer amüsanten Straßenbahnfahrt mit herumkugelnden Bluetooth-Kopfhörern vorbehalten - ein schöner und passender Abschluss für einen Abend, der viel zu bieten hatte, dabei aber nichts überstrapazierte. Aktuelle Trends und Nostalgie passen eben doch zusammen, wie auch der lang anhaltende Applaus bewies.
(Von Christoph Griessner/APA)