Rasche Koalitions-Gespräche

Rechtsruck in Niederlanden: Rechtspopulist Wilders klarer Wahlsieger

Die Niederlande stehen nach dem triumphalen Wahlsieg des Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl vor einem historischen Rechtsruck.
© REMKO DE WAAL

Seit fast 20 Jahren mischt der Rechtsaußen Wilders mit seiner islamfeindlichen Partei die Niederlande auf. Jetzt ist er der große Wahlsieger. Doch allein regieren kann er nicht. Auch wenn andere Rechtspopulisten in Europa schon jubeln.

Den Haag – Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders will nach seinem überraschend klaren Wahlsieg umgehend die Möglichkeiten für eine Regierungsbildung ausloten. Er kündigte an, noch am Donnerstag mit der Suche nach Koalitionspartnern zu beginnen. Die Partei für die Freiheit (PVV) von Wilders kommt nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen auf 37 Sitze der 150 Mandate in der Zweiten Kammer des Parlaments. Wilders verdoppelte damit sein Ergebnis der vorigen Wahl von 2021.

An zweiter Stelle kommt demnach das rot-grüne Bündnis mit 25 Mandaten, ein Gewinn von zehn. Die bisherige rechtsliberale Regierungspartei VVD des scheidenden Premiers Mark Rutte mit der Spitzenkandidatin Dilan Yesilgöz erzielt nach der Hochrechnung nur noch 24 Mandate, und verliert acht. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC), kommt auf Anhieb auf 20 Sitze.

📽️ Video | Niederlande: Rechtsextremer Wilders feiert Wahlerfolg

Der Rechtsaußen Wilders kündigte an, dass er nun auch regieren wolle. Doch für eine Mehrheit braucht er mindestens zwei Parteien – und es ist fraglich, ob er tatsächlich Partner für eine Koalition finden kann.

"Das Signal, das der niederländische Wähler nun gibt, ist: Es muss anders werden", sagte Wilders am späten Mittwochabend. „Die Niederländer müssen wieder Nummer eins sein." In seinem Parteiprogramm fordert der 60-Jährige, Moscheen und den Koran zu verbieten und spricht sich für den Nexit aus - den Austritt der Niederlande aus der EU. Auch will er die Grenzen schließen, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten nicht mehr ins Land lassen und Klimaschutz als politisches Ziel abschaffen.

Der Wahlsieg der mit islam- und ausländerfeindlichen Parolen punktenden PVV in den als liberal geltenden Niederlanden schockte viele etablierte Parteien. Nicht nur Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände reagierten entsetzt. „Als praktizierender Muslim mache ich mir Sorgen", sagte Muhsin Köktas, Vorsitzender eines muslimischen Interessenverbands, am Donnerstag im niederländischen Fernsehen. „Ich hatte dieses Ergebnis wirklich nicht erwartet. Auf Muslime kommt eine schwierige Zeit zu."

Andere Rechtspopulisten in Europa hingegen bejubelten Wilders' Triumph. „Ich freue mich und gratuliere herzlich!", schrieb der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, im Kurznachrichtendienst X (Twitter). „Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz Europa will die politische Wende!", schrieb AfD-Chefin Alice Weidel. Auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und die französische Rechtsnationalistin Marine Le Pen gratulierten Wilders. „Die Winde des Wandels sind da!" ("The winds of change are here!", gratulierte Orban.

Doch noch ist ungewiss, ob er wirklich Erfolg haben wird mit seinem Aufruf an Parteien des rechten Spektrums, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Ich glaube, dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen", so Wilders. Auf keinen Fall dürfe der Wählerwille ignoriert werden.

Schon am Wahlabend hatte der Chef der neuen Zentrumspartei NSC Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert. Und auch VVD-Chefin Yesilgöz scheint nicht abgeneigt. Erst einmal sei nun Wilders am Zug, sagte sie: „Wir werden das in der Fraktion gut abwägen. Dann schauen wir, wohin das führt."

Wilders Priorität: „Asyl-Tsunami" begrenzen

Wilders zeigte sich sehr bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen seiner Partei zu zerstreuen. Er wolle ein „Premier aller Bürger sein". Die von ihm angestrebte Zwangsschließung von Moscheen sei aktuell kein Thema, versicherte er. Priorität habe jetzt, den „Asyl-Tsunami" zu begrenzen.

Im Endspurt des Wahlkampfes hatte Wilders in den Umfragen zugelegt und die Favoritin Yesilgöz abgehängt. Viele sehen die rechtsliberale Frontfrau als mitverantwortlich dafür an. Sie habe Wilders endgültig salonfähig gemacht, meinen Kritiker. Während Yesilgöz eine Koalition mit Wilders nicht ausgeschlossen hatte, war ihr Parteifreund Rutte stets als vehementer Gegner eines Bündnisses aufgetreten.

Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben. Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo die Jungen wegziehen. Zu Wilders' Parolen gehört deshalb nicht nur „Der Islam gehört nicht zu den Niederlanden", sondern auch „Mehr Personal in der Pflege" und „Niedrigere Mieten und Steuern". Diese Mischung aus rechten Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders' Partei hat nur ein einziges Mitglied - ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.

Die vorgezogene Parlamentswahl wurde notwendig, nachdem Ruttes Mitte-Rechts-Koalition im Sommer nach nur 18 Monaten zerbrochen war. Anlass dafür war ein Streit über die Migrationspolitik. Rutte, der mit 13 Jahren am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen Geschichte, kündigte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik an. Er will jetzt NATO-Generalsekretär werden. Bis zur Vereidigung einer neuen Regierung soll Rutte aber im Amt bleiben. (APA/dpa)