Sobotka kommt auch bei der Bevölkerung nicht gut an
Nicht zum ersten Mal ist Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Auch bei den Bürgerinnen und Bürgern wird der ÖVP-Politiker zunehmend unbeliebter. Mögliche Gründe dafür gibt es mehrere.
Wien – Wolfgang Sobtoka (ÖVP) bekleidet seit 20. Dezember 2017 das Amt des Nationalratspräsidenten. Der heute 67-Jährige wurde damals unter der neuen schwarz-blauen Regierung mit dem schwachen Ergebnis von 61,3 Prozent der Abgeordneten-Stimmen gewählt. Bei den Bürgerinnen und Bürgern ist der streitbare Niederösterreicher nicht allzu beliebt – vor allem ab Mitte 2020 fielen seine Zustimmungswerte drastisch, wie ein Blick ins Archiv des APA/OGM-Vertrauensindex zeigt.
Bevor Sobotka, der sich aktuell wegen jüngst bekannt gewordener Vorwürfe des verstorbenen Ex-Sektionschefs Christian Pilnacek scharfer Kritik ausgesetzt sieht, das Amt des Nationalratspräsidenten erklomm, war er nur kurz im Nationalrat als Abgeordneter tätig – nämlich gerade einmal zwei Sitzungstage lang. Politische Erfahrung brachte er freilich schon damals ausreichend mit – Bürgermeister, Landesrat und Innenminister lauteten die vorherigen Stationen.
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Nichts falsch gemacht
Der mehrfache Vater galt über viele Jahre als einer der mächtigsten Politiker Niederösterreichs, war auch Landeshauptmann-Stellvertreter und AAB-Landesobmann. Auch Landeshauptmann-Ambitionen dürfte er gehabt haben, in die Quere kam ihm dabei allerdings die umstrittene, weil spekulative Veranlagung der niederösterreichischen Wohnbau-Gelder, die für Kritik nicht nur der Opposition sondern auch des Rechnungshofs sorgte. Sobotka blieb freilich stets dabei, nichts falsch gemacht zu haben.
Das Eingestehen von Fehlern gehört generell nicht unbedingt zu seinen Stärken. Bekommt er seinen Willen nicht durch, gefällt ihm das auch nicht unbedingt, wie die SPÖ in seiner Zeit als Innenminister schmerzlich zu spüren bekam. Auch schoss er damals gegen Kanzler Christian Kern (SPÖ) quer, wo das nur möglich war. Auf die Spitze trieb es Sobotka, als er sich lange weigerte, den erneuerten Koalitionspakt zu unterfertigen. In der Sache gab Sobotka als Innenminister den unermüdlichen Law-and-Order-Minister. Ob Verschärfung von Demonstrationsrecht oder Sicherheitspaket, Sobotka trieb seine Politik der strengen Hand damals munter voran.
Warum die Menschen zweifeln
Die Gründe für das starke Absinken der Beliebtheit Sobotkas (laut APA/OGM-Vertrauensindex) dürften u.a. in den Diskussionen um Sobotkas Vorsitzführung im Ibiza-U-Ausschuss liegen. Die Opposition warf dem Präsidenten von Anfang an Befangenheit vor. Vorgehalten wurde ihm auch, dass er sich in der Zeit der türkis-blauen Regierung mehrfach mit Novomatic-nahen Personen getroffen habe. Sobotka sprach damals von "Unterstellung".
Mit Zweifel sah sich Sobotka auch konfrontiert, als er selbst (mehrmals) als Zeuge im U-Ausschuss aussagen musste. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl äußerte damals Zweifel, dass Sobotka danach auch weiterhin den Vorsitz in dem Gremium führen kann – vor allem weil Sobotka im Bericht dann seine eigene Aussage bewerten habe müssen.
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Sobotka dachte aber auch damals nicht an Rückzug – er werde ständig attackiert, bloß weil er versuche, der Verfahrensordnung zu entsprechen, etwa was die Fragestellung an Auskunftspersonen betrifft, betonte Sobotka etwa Ende 2020. Diskussionen um Zeugen-Ladungslisten und Unstimmigkeiten um Aktenlieferungen an den U-Ausschuss trübten ebenfalls die Stimmung.
Rücktrittsforderungen vom Koalitionspartner
Im Oktober 2020 wurde außerdem bekannt, dass das von Sobotka gegründete "Alois Mock Institut" von Novomatic mit 109.000 Euro unterstützt wurde. Angesichts dessen forderten damals auch Vertreter des grünen ÖVP-Koalitionspartners den ÖVP-Politiker auf, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss ruhen zu lassen, u.a. auch Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler.
Für Aufregung sorgte Ende 2020 auch ein oe24-Interview Sobotkas, in dem er angesprochen auf Inserate des Glücksspielkonzerns Novomatic in einer Zeitschrift des Alois-Mock-Instituts meinte: "Sie kennen das Geschäft. Fürs Inserat gibt's ein Gegengeschäft, natürlich. Das wird man wohl machen dürfen, wenn man einen Thinktank hat." Von der Opposition vorgehalten wurde Sobotka auch ein Foto, das ihn – noch in seiner Zeit als Innenminister – "Seite an Seite" mit dem gesuchten Wirecard-Manager Jan Marsalek bei einem Empfang im Jahr 2017 in der österreichischen Botschaft in Moskau zeigt.
Die Diskussion um Sobotka als Vorsitzenden eines U-Ausschusses ging dann bei dem im Frühjahr 2021 gestarteten ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss weiter. Aufsehen gab es dann auch um Ermittlungen gegen Sobotka wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs wegen einer Postenbesetzung aus dem Jahr 2017: Aus einem Chatverlauf, der am Handy von Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller gefunden wurde, ging hervor, dass von der ÖVP eine als Wiener Vizelandespolizeidirektorin vorgesehene Kandidatin verhindert worden sein soll, weil sie als SPÖ-Nahe gesehen worden sei.
Und auch Aussagen des früheren ÖBAG-Chefs und Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) (der damals Ex-ÖVP-Chef Sebastien Kurz schwer belastete) trafen den Präsidenten: Laut Schmid soll Sobotka bei ihm im Finanzministerium interveniert haben: Auf seinen Wunsch hin will Schmid Steuerprüfungen bei der Erwin-Pröll-Stiftung und dem Alois-Mock-Institut gestoppt haben. Sobotka dementierte sämtliche Vorwürfe und kündigte rechtliche Schritte gegen Schmid an.
Öffentlich kritisiert wurde Sobotka auch im Rahmen seines Prestige-Projektes, der Sanierung des Parlamentsgebäudes. Vor allem die Anmietung eines vergoldeten Klaviers, das im Parlament aufgestellt wurde, brachte die Opposition gegen ihn auf.
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Politischer Profi
Politisch ist Sobotka zweifelsohne ein Profi: Wirklich los ging es 1992, als der vormalige Stadtarchivar in seiner Heimatgemeinde Waidhofen/Ybbs das Amt des Finanzstadtrats übernahm. Vier Jahre später wurde er Bürgermeister, freilich nur für zwei Jahre, da ihn Landeshauptmann Erwin Pröll in seine Landesregierung holte und Sobotka zum Finanzlandesrat machte – eine Position, die er bis zu seinem Wechsel in die Bundesregierung als Innenminister innehatte.
Die Klavier-Anmietung im Hohen Haus ist vermutlich auch Sobotkas musischer Seite geschuldet: Er studierte Geschichte an der Universität Wien sowie Violoncello und Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien und Dirigieren am Brucknerkonservatorium Linz. Neben einer Tätigkeit als AHS-Lehrer war Sobotka auch Pädagoge und letztlich Leiter der Musikschule in Waidhofen/Ybbs. Bis heute schwingt er gerne den Dirigentenstab. Das zweite bekannte Hobby Sobotkas ist die Gärtnerei. (APA)
Zur Person
Wolfgang Sobotka, geboren am 5. Jänner 1956 in Waidhofen/Ybbs, verheiratet, Vater von sechs eigenen und zwei Stiefkindern. Studium der Geschichte an der Uni Wien, Studium Violoncello und Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Studium am Linzer Bruckner-Konservatorium (Dirigieren). Stadtrat für Finanzen in Waidhofen/Ybbs ab 1992, ab 1996 Bürgermeister. Ab 1998 Landesrat in Niederösterreich, zuständig unter anderem für Finanzen. 2009-2016 stellvertretender Landeshauptmann. 2016 Innenminister, seit Dezember 2017 Nationalratspräsident.