Strukturelle Gewalt an Frauen nimmt zu, Kampagne vom Land soll sensibilisieren
In Österreich ist jede dritte Frau von Gewalt betroffen. Die neue Kampagne des Landes „Gleiche Chancen für SIE“ soll auf strukturelle Gewalt im Alltag aufmerksam machen.
Innsbruck – Die Zahlen sind erschreckend: Jede dritte Frau in Österreich über 15 Jahren hat bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erlitten. 90 Prozent der Gefährder sind männlich. Bei einer Umfrage in Deutschland fanden es sogar ein Drittel der befragten Männer akzeptabel, wenn bei einem Streit mit der Partnerin „mal die Hand ausrutscht“.
Aber nicht immer ist Gewalt an Frauen so sichtbar. Die neue Kampagne vom Land Tirol „Gleiche Chancen für SIE“ wurde gestern von Frauenlandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) präsentiert. Die Kampagne soll gegen strukturelle Gewalt aufmerksam machen und ist Teil der weltweiten Aktion „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“. Seit 1999 werden damit die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt an Frauen thematisiert.
Die ungleiche Verteilung von Einkommen und schlechtere Bildungschancen für Frauen würden häusliche Gewalt begünstigen. In Tirol verdienen Frauen immer noch um etwa 20 Prozent weniger als Männer. „Viele Frauen bleiben in Gewalt-Beziehungen, weil sie finanziell von ihren Partnern abhängig sind“, sagt Andrea Laske, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Tirol. Es sei nicht leicht, sich zu lösen, wenn die Alternative Armut bedeutet. „In Tirol arbeitet jede zweite Frau in Teilzeit – bei den Männern nur jeder zehnte“, fügt Tirols AMS-Chefin Platzer-Werlberger hinzu. Diese Form der strukturelle Gewalt würde von vielen Menschen nicht bewusst wahrgenommen werden. Die Kampagne soll sensibilisieren.
„Frauen stehen dabei zwar im Fokus, doch alle Menschen, die aufgrund von Alter, sexueller Orientierung oder Herkunft benachteiligt und diskriminiert werden, sind Teil davon“, stellt Pawlata klar. Frauen mit Migrationshintergrund hätten eine zusätzliche Hürde. Die Erwerbstätigen-Quote sei um zehn Prozent geringer als bei Frauen ohne Migrationshintergrund.
Mit Plakaten, Radiospots und in den sozialen Medien wird in den nächsten 16 Tagen auf das Thema aufmerksam gemacht. Ziel ist es, Opfer zu erreichen und diese zu ermutigen, sich an die Beratungsstellen zu wenden.
16 Tage gegen Gewalt
Gewalt an Frauen ist in Österreich stark gestiegen. Im Jahr 2022 wurden bundesweit 14.589 Betretungs- und Annäherungsverbote verhängt (in Tirol 1060). Im Jahr 2019 waren es 8748.
Im Jahr 2022 führte das Gewaltschutzzentrum Tirol 6300 Beratungsgespräche mit 1650 Personen. 80 Prozent davon waren Frauen.
Die „16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen“ Kampagne läuft seit 1999 jedes Jahr von 25. November bis 10. Dezember in 187 Ländern. Thematisiert werden die verschiedenen Ausprägungen von Gewalt an Frauen.
25 Femizide und 41 Mordversuche bzw. Fälle schwerer Gewalt an Frauen in Österreich gab es bis 15.11. im Jahr 2023.
80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich. 90 Prozent der Gefährder sind männlich.
Jede vierte Arbeitnehmerin in Österreich war im Jahr 2021 Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz.
Rund 250 Euro weniger Arbeitslosengeld bekommen Frauen in Tirol im Vergleich zu Männern.