Bundesverwaltungsgericht bald ein Jahr ohne Präsident
Am 1. Dezember ist die Leitung des größten Gerichts Österreichs seit einem Jahr unbesetzt. Damals ging der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Harald Perl, in Pension - seither konnte sich die Regierung auf keine Nachfolge einigen. Zuerst dauerte es einige Zeit, bis die Besetzungskommission einen Vorschlag erstattete. Anschließend wurde weder die erstgereihte Kandidatin noch jemand anderer ernannt. Die Richtervereinigung plädiert nun für Änderungen des Bestellmodus.
In der Besetzungskommission saßen die Präsidenten der drei Höchstgerichte sowie Vertreter des Bundeskanzleramts, des Justizministeriums sowie der Uni Wien. Auf ihrem Vorschlag erstgereiht wurde Anfang des Jahres die damalige Präsidentin der Richtervereinigung und Vorsteherin des Bezirksgerichts Floridsdorf, Sabine Matejka. Die endgültige Entscheidung über die Besetzung liegt allerdings bei der Bundesregierung, im Ministerrat muss dafür Einvernehmen herrschen. Ernannt wird der Präsident bzw. die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) dann vom Bundespräsidenten.
Das laut Gesetz zuständige Beamtenministerium arbeitete einen Ministerratsvortrag aus, der allerdings das Gremium nach wie vor nicht passiert hat - die Grünen machten wiederholt die ÖVP dafür verantwortlich. Dies soll damit zu tun haben, dass die Grünen umgekehrt die Bestellung der ebenfalls vakanten Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde blockierten. Für diese war wiederum BVwG-Vizepräsident Michael Sachs, der das Gericht interimistisch leitet, bei einem Auswahlverfahren als bestgereiht hervorgegangen, was die Grünen per Gutachten anzweifelten.
Die Präsidenten der Oberlandesgerichte orteten in der offenen Nachbesetzung im Sommer einen "groben Missstand in unserer Republik", auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen äußerte Kritik. Selbst als die Regierung die Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde mit einer anderen Person besetzte (Natalie Harsdorf-Borsch), blieb die BVwG-Spitze unbesetzt.
Matejka zog sich im Sommer aufgrund der Verzögerung als Präsidentin der Richtervereinigung zurück (wobei sie dies auch für den Zeitpunkt ihrer Bestellung geplant hatte). Ihr Nachfolger Gernot Kanduth bringt nun Änderungen beim Bestellungsverfahren ins Spiel. Eine Möglichkeit wäre es etwa, im Fall der Säumigkeit der Regierung die Entscheidung an jemand anderen zu delegieren. Das könnte etwa der Bundespräsident sein, keine andere Person sei dafür unmittelbarer demokratisch legitimiert, so Kanduth zur APA.
Dabei sollte diese Person idealerweise an den Vorschlag der Besetzungskommission gebunden sein. Das heißt, dass niemand anderer außer den dort gereihten Kandidaten bestellt werden dürfte. "Das wäre eine Möglichkeit, um das System aus Checks and Balances zu wahren." Die derzeitige Rechtslage, in der die Bestellung einer Person verpflichtend vorgesehen sei, eine Untätigkeit aber sanktionslos bleibe, suche in einem Rechtsstaat ihresgleichen.