Wiener Polizist muss wegen Misshandlungsvorwurfs vor Gericht
Die Staatsanwaltschaft Wien hat in einem weiteren Fall von Polizeigewalt Anklage erhoben. Wie Behördensprecherin Judith Ziska auf APA-Anfrage mitteilte, wurde gegen einen Beamten beim Landesgericht für Strafsachen ein Strafantrag eingebracht, nachdem der Polizist Anfang Mai 2023 in Simmering den Kopf eines 19-Jährigen mehrfach auf den Asphaltboden geschlagen hatte. Ein Kameramann des TV-Senders Puls24 filmte die Szene mit. Das Video ging im Anschluss viral.
Die Anklagebehörde wirft dem Beamten Amtsmissbrauch vor. Strafdrohung: sechs Monate bis fünf Jahre Haft. "Aus unserer Sicht ist eine Misshandlung gegeben", sagte Ziska. Zu den verstörenden Gewalt-Szenen war es gekommen, nachdem der 19-Jährige einen abgesperrten Bereich vis-a-vis eines Tötungsdelikt-Tatorts auf der Simmeringer Hauptstraße betreten hatte, um an einem Bankomaten Geld zu beheben. Er wollte nicht einsehen, warum das nicht zulässig sein sollte, nur weil im gegenüberliegenden Geschäft die Spurensicherung in Gang war. In dem Geschäftslokal war zuvor ein 38-Jähriger erschossen worden, laut Puls24 war die vorgenommene Absperrung nicht gut sichtbar. Die Polizei, die das Lokal abgeriegelt hatte, ließ sich dessen ungeachtet auf keine Diskussionen mit dem 19-Jährigen ein. Er wurde schließlich zu Boden gebracht, fixiert und festgenommen.
Das Video zeigt, wie der Kopf des jungen Mannes vom nunmehr Angeklagten zwei Mal gegen den Asphalt geschlagen wird und sich am Boden Blutflecken bilden. "Wieso machst du sowas?", ist der Fixierte zu hören. Der junge Mann wurde, nachdem man ihm Handschellen angelegt hatte, von der Rettung versorgt, eine Mitfahrt ins Krankenhaus lehnte er nach Angaben der Landespolizeidirektion ab.
Der 19-Jährige trug Kopfverletzungen davon - und wurde wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie schwerer Körperverletzung auf freiem Fuß angezeigt, weil einer der an der Amtshandlung beteiligten Beamten Blessuren am Knie und am Ellbogen erlitten und sich zur ärztlichen Behandlung in ein Spital begeben hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen den 19-Jährigen hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile eingestellt.
Ob es ohne Video-Material zu einem Prozess gegen den aggressiven Polizisten gekommen wäre - Verhandlungstermin gibt es noch keinen -, ist fraglich. Eine rechtskräftige Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe hätte für den Beamten den automatischen Amtsverlust zur Folge. Die Strafgerichte scheuen sich aber nach wie vor, als Gewalttäter überführte Polizeibeamte dergestalt aus dem Verkehr zu ziehen. Erst vor zwei Monaten wurde am Wiener Landesgericht ein 31-jähriger Polizist nicht rechtskräftig des Amtsmissbrauchs für schuldig befunden, weil eine Überwachungskamera belegte, wie er in einem Schnellimbiss-Lokal in der Wiener Innenstadt einem Mann ohne nachvollziehbaren Grund zunächst einen heftigen Stoß mit dem Handballen versetzt und diesen mit Pfefferspray "eingenebelt" hatte, ehe er ihn am Kopf packte und mit wuchtigen Stößen mit dem linken und mit dem rechten Knie ins Gesicht bedachte. Dafür setzte es zwölf Monate auf Bewährung - und damit punktgenau jene Sanktion, die nicht zwingend zum Amtsverlust führte. Der für diesen Fall zuständige Staatsanwältin reichte das nicht - sie legte gegen das erstinstanzliche Urteil noch im Gerichtssaal Rechtsmittel ein.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kommentierte den Fall am Rande einer Pressekonferenz so: "Selbstverständlich tolerieren wir keine Misshandlungen in der Polizei und selbstverständlich gehen wir jedem Fall von Misshandlungsvorwürfen nach." Solche Amtshandlungen würden auch intern immer evaluiert, ergänzte Bundespolizeidirektor Michael Takacs.
Gegen den Beamten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das bis zum Ausgang der strafrechtlichen Ermittlungen ruhend gestellt ist. Vorläufig suspendiert wurde der Polizist nicht, er wurde zunächst in den Innendienst versetzt. Derzeit versieht er Dienst auf einer Polizeiinspektion in Simmering, wobei er entweder im Innendienst oder bei Botschaftsbewachungen eingesetzt wird.