Venezolaner unterstreichen Anspruch auf Teil von Guyana
In einer nicht bindenden Volksabstimmung hat ein großer Teil der Bevölkerung Venezuelas nach Angaben der autoritären Regierung den Anspruch des Landes auf die rohstoffreiche Region Essequibo im Nachbarstaat Guyana unterstützt. Knapp 96 Prozent der Teilnehmer bejahten am Sonntag die Frage, ob ein neuer Bundesstaat namens Guayana Esequiba geschaffen werden und die dortige Bevölkerung die venezolanische Staatsbürgerschaft bekommen solle, wie die Wahlbehörde CNE mitteilte.
Guyana sieht durch das Referendum seine Sicherheit gefährdet. Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen (IGH) hatte Venezuela am Freitag angewiesen, "jede Handlung zu unterlassen, die die gegenwärtige Lage in dem strittigen Gebiet ändern würde".
Die Wahlbeteiligung an dem Referendum gab die CNE mit rund 51 Prozent an, die Bevölkerung von Essequibo war nicht beteiligt. Welche weiteren Schritte die venezolanische Regierung nun einleiten würde, war zunächst unklar. Präsident Nicolás Maduro feierte vor Hunderten Anhängern das Ergebnis auf der Plaza Bolívar der Hauptstadt Caracas als Sieg für Venezuela.
"Ich habe eine Botschaft für Präsident Maduro: Nichts, was Sie sagen, keine Propaganda oder Lüge wird die Herzen der Guyaner mit Angst erfüllen", sagte Guyanas Präsident Irfaan Ali laut einem Bericht der Zeitung "Guyana Chronicle" während einer Rede im National-Stadion. "Lasst mich sehr klar sein: Auf uns kann man nicht herumtrampeln."
Guyanas Regierung hatte das Referendum als Bedrohung seiner Sicherheit und des Friedens bezeichnet. Das rund 160.000 Quadratkilometer große Gebiet Essequibo macht etwa zwei Drittel von Guyanas Territorium aus.
Alle fünf Fragen des Referendums wurden nach offiziellen Angaben mit zwischen 95,4 und 98,11 Prozent der Stimmen mehrheitlich mit Ja beantwortet. Darunter war auch die Frage, ob Venezuela die Zuständigkeit des IGH in der Angelegenheit ablehnen soll.
Die derzeitigen Grenzen des Gebiets wurden 1899 in einem Schiedsspruch eines Tribunals in Paris festgelegt, den die USA und Großbritannien veranlasst hatten. Venezuela beruft sich auf ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von 1966 - wenige Monate, bevor die damalige Kolonie Britisch-Guyana unabhängig wurde. Dieses sah eine Verhandlungslösung des Disputs vor. Der Grenzkonflikt verschärfte sich, als 2015 vor der Atlantikküste Essequibos große Ölvorräte gefunden wurden. Guyana, eines der ärmsten Länder Südamerikas, erteilte dem US-Ölkonzern Exxon Mobil Förderlizenzen.
Vergangenen April hatte sich der IGH in dem Territorialstreit für zuständig erklärt, ein Urteil aber erst in Jahren in Aussicht gestellt. Mit dem Referendum vom Sonntag haben die Venezolaner nach Angaben der Regierung die Zuständigkeit des IGH jedoch abgelehnt.
Welche Konsequenzen die Regierung in Caracas ziehen würde, blieb zunächst offen. "Das Ziel der Regierung Maduro ist es, eine Botschaft der Stärke an Guyana zu senden", sagte Ricardo Sucre, Politikprofessor an der Zentraluniversität von Venezuela. Die Seegrenze zwischen den beiden Ländern ist ebenfalls umstritten.