Ratgeber für Frauen: Keine Macht den Schuldgefühlen
Berge von Aufgaben im Job sowie zu Hause mit den Kindern - und dazu ein schlechtes Gewissen, das berufstätige Mütter regelmäßig plagt: Die Tiroler Autorin Michèle Liussi hat gleich zwei Ratgeber für Frauen verfasst.
Innsbruck - Täglich grüßt das Schuldgefühl. Der Titel des neuen Buches von Michèle Liussi und Katharina Spangler ist bei vielen berufstätigen Müttern das alltägliche Programm. Wenn Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kinderbetreuung und jede Menge Organisatorisches bewältigt werden müssen, gerät Frau schnell an ihre Belastungsgrenzen. Die Psychologin und Familienbegleiterin Liussi aus Inzing hat mit ihrer Co-Autorin gleich zwei Ratgeber mit zahlreichen Tipps rund um Vereinbarkeit verfasst.
Jause richten, die Besprechung vorbereiten, Einkaufsliste schreiben, das Kind im Kindergarten abliefern, zwischendurch Tränen trocknen und Geschwisterstreit schlichten -so manche Mutter ist um halb 9, wenn sie das Büro betritt, schon erschöpft. Sie hat schon unzählige Aufgaben erledigt und vermutlich noch mehr Dinge unerledigt liegen gelassen.
"Das schlechte Gewissen kommt daher, dass das alte gesellschaftliche Bild - dass die Mutter für alles rund um Haushalt und Kinder zu hundert Prozent allein verantwortlich ist - noch ganz fest in den Köpfen verwurzelt ist", erklärt Liussi im TT-Gespräch. "Viele Frauen haben das bis heute tief verinnerlicht und sind dann massiv überlastet, vor allem wenn sie wieder außer Haus arbeiten."
Die Schuldgefühle werden auch dadurch genährt, dass Frauen einerseits von außen die Erwartungshaltung auferlegt bekommen und andererseits extrem hohe Ansprüche an sich selbst stellen. "Viele Frauen sprechen nicht darüber, dass sie an ihre Grenzen geraten", sagt Liussi.
"Der Schein nach außen wird aufrechterhalten, da man ja überall sieht, dass es andere auch schaffen -irgendwie."
Dabei sei es immens wichtig, dass berufstätige Mütter die gesamte "Care-Arbeit", also Kinderbetreuung, Haushaltsarbeit und Organisatorisches, auf weitere Schultern aufteilen -auf so viele wie möglich. Auch Mental Load, die ganze Denkarbeit, müsse sichtbar gemacht werden. "Wenn die Oma das Enkelkind zum Schwimmkurs bringt, gehört auch dazu, dass sie die Schwimmtasche packt und Jause richtet", stellt Michèle Liussi klar, "nur dann ist es wirkliche Unterstützung und nicht nur Fahrdienst."
Die Tiroler Autorin empfiehlt unter anderem, eine "Not to do"-Liste anzulegen, mit allen Dingen, die man nicht gerne erledigt. "Alle Aufgaben, die man mit Widerwillen erledigt, sind Zeitund Energiefresser, die man eliminieren sollte", rät Liussi, "und fast immer gibt es jemanden, der das lieber oder besser macht." Hilfreich für die Organisation aller Abläufe sei auch ein Familienboard, auf dem alle wöchentlichen Fixpunkte aller Familienmitglieder festgehalten sind. Auch ein Wochenspeiseplan sei sehr hilfreich, um nicht täglich am späten Nachmittag übers Abendessen nachdenken und Zutaten besorgen zu müssen.
Dass es Frauen so schwerfalle, Zuständigkeiten und Aufgaben abzugeben, liege an der Sozialisierung, wonach Frauen die helfende, pflegende und mitdenkende Rolle einzunehmen hätten. "Das ist in uns Frauen nach wie vor tief drin", sagt Liussi. Ihrer Erfahrung nach seien Frauen auch viel zu streng zu sich selbst und können nur schwer um Hilfe bitten und Hilfe annehmen.
Der aktuellen Mütter-Generation würden aber die Vorbilder fehlen, die ihnen eine gelungene Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mama-Rolle vorleben hätten können: "Das war etwa bei unseren Müttern und Großmüttern noch kein Thema."
Außerdem befassen sich Frauen heute intensiver mit Pädagogik und den Entwicklungsphasen ihrer Kinder, weiß die Psychologin. "Damit setzen sich Mütter aber selbst unter Druck und können ihrem eigenen hohen Anspruch, wie sie ihr Kind begleiten möchten, kaum noch gerecht werden", so Liussi.
Patentrezept, wie die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Care-Arbeit gelingen kann, liefert Liussi keines. "Jede Familie ist anders", sagt sie, "und das Modell muss immer zur Familie passen." Auch gebe es ihrer Ansicht nach nicht den perfekten Zeitpunkt, wann die Frau wieder ins Berufsleben zurückkehrt.
Mit dem Wiedereinstieg in den Job werde dem Kind auch die Mutter nicht weggenommen, ebenso wenig werde das Kind in externe Betreuung abgeschoben. Auch das seien veraltete Glaubenssätze, die sich bei vielen berufstätigen Frauen eingebrannt hätten, sagt die Psychologin. Daraus resultiere auch eine unbewusste Angst, dass das Kind jemand anderen mehr liebt als die Mutter. "Kindergarten oder Krippe schmälern bei Kindern die Liebe zur Mutter nicht", sagt Liussi. "Wir sollten uns stattdessen freuen, dass die Kleinen auch mit jemand anderem eine schöne Zeit verbringen dürfen."