Raketenalarm in Israel, sechs Tote bei Einsatz in Westjordanland
Am Freitag kam es erneut zu Raketenangriffen aus dem Gazastreifen auf Israel. Währenddessen kam es bei einem Schusswechsel im Gaza laut Angaben Palästinas zu sechs Toten. Israels Armee spricht von mehreren getöteten Terroristen
Gaza, Tel Aviv – Während Israels Armee weiter gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen vorgeht, hat es in Israel erneut Raketenalarm gegeben. An der Grenze zum Gazastreifen heulten am Freitag wieder mehrfach die Sirenen, wie die israelische Armee meldete. Israelischen Medien zufolge waren auch in der Küstenstadt Tel Aviv laute Explosionen zu hören. Grund dafür sei, dass von der Hamas abgefeuerte Geschosse im Mittelmeer gelandet seien. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht.
Die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen nehmen den Berichten zufolge aber inzwischen spürbar ab. Zwischen dem ersten Angriff am Freitag in der Früh und dem letzten davor am Donnerstagabend lagen Armeeangaben zufolge 15 Stunden.
WHO-Sprecher kritisiert Israel
Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die israelischen Angriffe im Gazastreifen am Freitag scharf kritisiert. Bei den seit zwei Monaten andauernden Angriffen gehe es nicht nur um Selbstverteidigung gegen extremistische Palästinensergruppen wie die Hamas, sondern dies betreffe die gesamte Bevölkerung, sagte Christian Lindmeier im UN-Briefing, das zweimal in der Woche in Genf stattfindet.
Unschuldige Zivilisten würden von den Angriffen getroffen, selbst enge Verbündete Israels hätten von "willkürlicher Bombardierung" gesprochen. Die WHO fordert wie alle anderen humanitären UN-Organisationen ein Ende der Angriffe.
Schusswechsel in Flüchtlingslager
Auch im Westjordanland wurden Kämpfe vermeldet. So wurden bei Zusammenstößen während einer Razzia der israelischen Armee nach palästinensischen Angaben sechs Menschen getötet worden. Darunter sei auch ein 14 Jahre alter Bub, teilte das Gesundheitsministerium in Ramallah am Freitag mit. Nach Angaben der israelischen Armee kam es bei dem Anti-Terror-Einsatz im Flüchtlingslager Faraa im Norden des Palästinensergebiets zu Schusswechseln. Mehrere Terroristen seien dabei getötet worden.
Der Osama bin Laden von Gaza - Wer ist Yahyaa al-Sinwar?
Während Israels Bodentruppen im Süden des Gazastreifens mit massiven Bombardierungen gegen Kämpfer der islamistischen Hamas vorrücken, hält sich deren Chef Yahyaa al-Sinwar weiter versteckt. Sinwar wird in Israel mit dem ehemaligen Anführer des Terrornetzwerkes Al-Kaida, Osama bin Laden, verglichen - in Anspielung auf den Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September 2001.
Der Hamas-Anführer in Gaza steht ganz oben auf der Abschussliste der Armee. Der 1962 in einem Flüchtlingslager von Khan Junis geborene Sinwar gilt gemeinsam mit Mohammed Deif, Kommandant des bewaffneten Arms der Hamas, als Planer des beispiellosen Massakers vom 7. Oktober, in dessen Folge rund 1200 Israelis getötet und rund 240 Menschen nach Gaza verschleppt wurden.
Sinwar, ein drahtiger, bärtiger Mann mit kurz geschorenem weißen Haar und tief liegenden Augen unter buschigen dunklen Brauen, gehört zur Gründergeneration der Hamas. In den Anfangsjahren der islamistischen Bewegung war er für den Kampf gegen mutmaßliche Kollaborateure mit Israel in den eigenen Reihen zuständig. Dabei ging er so brutal vor, dass er als "Schlächter von Khan Junis" bekannt wurde. Er verbrachte mehr als zwei Jahrzehnte in israelischer Haft.
2011 kam Sinwar frei – als einer von mehr als 1000 palästinensischen Häftlingen im Gegenzug für den israelischen Soldaten Gilad Shalit. Nachdem israelische Soldaten das Haus des Gaza-Chefs in Khan Junis umstellt hatten, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu am Mittwochabend: Yahya al-Sinwar könne fliehen, „aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn finden“.
Doch selbst wenn die israelische Armee Sinwar aufspüren und töten sollte, bedeute das nicht notwendigerweise, dass es die Hamas zu Fall bringen werde, sagte Harel Chorev vom Moshe Dayan Center für Nahost- und Afrikastudien an der Tel Aviv University dem US-Sender CNN. Grund sei, dass Sinwar zwar eine Schlüsselrolle innerhalb der Hamas habe, aber nicht die einzige Führungsfigur sei.
Bei ihnen seien auch Gewehre gefunden worden. Die israelischen Einsatzkräfte nahmen den Angaben nach zudem zwei gesuchte Verdächtige fest.
Von palästinensischer Seite gab es zunächst keine Angaben dazu, ob die getöteten Palästinenser bewaffnet waren oder einer militanten Gruppierung angehörten. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, bei der Razzia sei es zu Gefechten gekommen. Demnach gab es auch mehrere Verletzte. (APA, dpa)